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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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Weise.

KAPITEL
SIEBEN
    Frank wusste zu Anfang von alldem nichts, aber es blieb nicht aus, dass er Geschichten hörte. Und dass er nachforschte. Natürlich, sonst wäre er nicht sein Bruder gewesen. Als Robert Berlin verließ, um sich für Nagy zu verdingen, tat er das auch, um Frank und dessen Familie zu schützen. Ab einem gewissen Punkt wurden diese Leute um ihn herum nervös, wenn man ihnen zu nahe kam. Vor allem wenn derjenige einen Dienstausweis bei sich trug und zu viel nachfragte. Nagy kaufte Polizisten – genauso gut aber war er auch bereit, sie zu beerdigen, wenn es keinen anderen Weg gab, um sie loszuwerden oder ihr Schweigen zu kaufen. Und Frank gehörte nicht zur Fraktion derer, die die Hand aufhielten und in eine andere Richtung blickten.
    Also ging Robert, entfernte sich aus dem Leben seines Bruders, entfernte sich auf eine solch radikale Art und Weise, dass er darüber hinaus sich selbst abhandenkam. Inzwischen hatte sich sein Wertsystem komplett verändert. Die Zeit auf der anderen Seite der Nacht hatte auch ihn verfinstert; er hatte zu viel gesehen, zu viel gehört, hatte Leute bedroht und eingeschüchtert.
    Ein großer, massiver Mann, Mitte vierzig, männlich-gutaussehend, markant, bis auf die Augen. Die letzten Jahre hatten sich in seinen schweren, müden Augen niedergeschlagen, ihnenmangelte es inzwischen an Wärme, sie erinnerten vielmehr an ein morastiges, trübes Gewässer. Doch natürlich konnte er immer noch, falls nötig, die Lichter in ihnen anknipsen, ein Lagerfeuer entzünden und dem Rest der Welt weismachen, dass ihm zu trauen war.
    Er vermisste Frank.
    Zwei Männer, Zeiten und Welten getrennt, was sie hatten, war einander in der Vergangenheit, heute aber waren sie nur noch zwei Stimmen, die sich gegenseitig aushorchten, wann immer sie sich begegneten. Im Körperlosen, im Äther.
    »Für wen arbeitest du, Rob? Was machst du? Ich höre da Dinge, die ich nicht glauben kann. Glauben will.«
    Sie telefonierten wieder einmal miteinander. Darauf war ihre Welt, ihr Zusammensein inzwischen geschrumpft, auf Funknetze, unsichtbare Wellen. Auf eine Stimme am anderen Ende von Irgendwo. Es war immer Robert, der seinen Bruder anrief und auch nur dann, wann er es wollte. Frank hingegen besaß keine Nummer, unter der er ihn hätte erreichen können. Robert war da draußen, und allem Anschein nach bewegte er sich genau in den dunklen Seitenstraßen, in denen Frank bei seiner Arbeit immer wieder auf Täter und Opfer traf. Er hatte Angst um seinen großen Bruder.
    »Was auch immer es ist, ich kann dir helfen«, sagte er. »Egal, in welchem Schlamassel du steckst …«
    »Das ist sehr gütig«, sagte Robert.
    »Hör auf mit dieser verdammten Ironie.«
    Robert schwieg. Auch Frank suchte nach Worten. Währenddessen tropfte die Zeit träge zu Boden. Das Handy am Ohr wog eine Tonne und seine Hand zitterte. Robert hingegen saß auf einer Brüstung, blickte auf ferne Lichter in einer der vielen Städte, die in der Nacht zu einer einzigen verschmolzen. Und er hörte die Brandung des Meeres in seinem Rücken.
    »Du musst mich nicht beschützen, Kleiner. Es war mal andersherum, weißt du noch?«
    »Als ob ich das je vergessen könnte.«
    »Mir geht’s genauso. Komm, Kleiner, ich bin okay.«
    »Dann sag mir, was du tust? Wer du bist? Ich glaube manchmal, ich telefoniere mit einem Fremden.«
    »Und wessen Gesicht siehst du dabei?«
    »Deines. Immer.«
    »Siehst du, nichts hat sich zwischen uns geändert. Nichts wird sich jemals ändern. Egal, was wir beide tun …«
    Er stockte, bekam sich jedoch wieder in den Griff. Er war der Felsen, nicht wahr?
    »Dann sag mir zumindest, wo du bist, verdammt.«
    Robert lachte. Es begann zu regnen, dabei war es sommerlich warm, und er würde einfach noch eine Weile hier sitzen bleiben. Neben ihm stand eine geöffnete Flasche Rotwein, und er hatte es sogar geschafft, ein entsprechendes Glas zu organisieren. Sein Auftrag war beendet, und er war dabei, die Erinnerung daran wegzuspülen. Meistens funktionierte es.
    »Willst du dafür nicht einfach mein Handy orten lassen?«
    »Sehr witzig. Du wirst es wahrscheinlich entsorgen und dir ein neues beschaffen.«
    Wie jemand auf der Flucht. Wie ein Krimineller. Und ja, Robert würde das Teil ins Meer werfen. Benutze diese Dinger niemals zweimal. Er hörte die Brandung, und er wusste, dass auch Frank sie durch ihn hörte.
    »Ich bin bei dir, Kleiner – auf die eine oder andere Weise werde ich immer bei dir sein und umgekehrt. Blutsbande,

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