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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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Gefallen. Nichts war deprimierender als alleine zu trinken, wie er selbst wusste.
    »Jetzt fühle ich mich wieder wie ein Mensch«, sagte Stoljanow. Er kippte mit seinem Stuhl nach hinten, bis er die Wand seines Büros berührte, und bleckte die Zähne.
    »Weißt du eigentlich, wie lange wir uns jetzt schon kennen?«
    »Ich vermute, lange genug«, sagte Grischa.
    Stoljanow vermittelte Auftragsmörder, Söldner, Wachleute, den ganzen bunten Fundus aus Exmilitär, Polizei und Spezialkräften. Er schickte die Männer »in die Pipeline«, bot ihre Arbeitskraft, ihre Tötungsbereitschaft den Meistbietenden an. Seit die alte Ordnung zusammengebrochen war und das Land sich in einen Dschungel verwandelt hatte, florierte das Geschäft. Es gab immer etwas zu tun. In diesen Zeiten machte man sich so leicht Feinde.
    Stoljanow hielt Grischa für ein Naturtalent; ein Profi durch und durch. Als er ihn unter Vertrag nahm, hatte Grischa nicht mehr als zwei, drei Mordaufträge hinter sich, ein nicht mehr wirklich junger Kerl mit einem billigen Gebiss und verwachsenen Fingernägeln. Er sah aus wie ein Gespenst. Wie er liefen damals viele herum; Tschetschenien-Gardisten, die meisten allerdings so hinüber, dass sie nicht mal mehr geradeaus schießen konnten.
    Grischa war anders.
    Faszinierende Augen, erinnerte sich Stoljanow, zahllose kalte Polarlichter schwammen darin herum und bildeten eine Galaxie unentdeckter Sterne. Man schauderte angesichts ihrer abgründigen Tiefe.
    »Trinkst du noch einen mit?«
    Grischa verneinte. Er blätterte durch die Akte.
    »Wer ist Arschawin?«
    »Dein Kontaktmann in Berlin. Fungiert auch als Späher, wenn du einen brauchen solltest, oder als Back-up.«
    »Hat er darin Erfahrung?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht. Vielleicht pisst er sich die Hosen voll, wenn es drauf ankommt. Vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?«
    »Als ich das letzte Mal in Berlin war, habe ich keinen gebraucht.«
    »Da warst du auch für jemand anderen tätig.«
    Auch gut. Eigentlich war es egal, solange das Dossier in Ordnung war. Grischa fragte nicht, wer ihn bezahlte oder weswegen die Zielperson sterben musste. Du fragst nicht, niemals. Das war der Deal.
    »Er soll mich bloß nicht stören.«
    »Dann mach es ihm klar. Du kannst ja sehr überzeugend sein.« Sie schwiegen eine Zeitlang. Stoljanow gönnte sich ein weiteres Glas, Grischa lehnte ab.
    »Gehst du noch oft auf den Friedhof?«
    »Warum?«
    »Nur so. Kann ich nicht einfach so fragen?«
    »Wir sind keine Freunde, ich verstehe die Frage nicht. Bist du neugierig?«
    Stoljanow sah aus dem Fenster nach draußen auf das versammelte Elend der Welt.
    »Ich komme nicht mehr viel unter Leute.«
    »Ich auch nicht. Na und.«
    »Du bist wirklich ein eisenharter Bastard.«
    »Weißt du was, schenk mir doch noch einen ein.«
    Stoljanow grinste.
    »Der ist wirklich gut, nicht?«
    Grischa nickte. Er streckte seine Beine aus, das einzige Zeichen, das er ein wenig entspannt war.
    »Was soll ich dort? Beten? Zu wem? Zu dem, der mir meine Frau gestohlen hat?«
    Larissa war auf dem Danilow-Friedhof begraben, im Süden Moskaus, im Stadtteil Donskoi gelegen. Er hatte Stoljanow irgendwann einmal davon erzählt, er wusste bis heute nicht warum. Wahrscheinlich musste selbst ein Mann wie er ab und an aus dem Schweigen auftauchen.
    Stoljanow sagte: »Es ist ein sehr schöner Friedhof, nicht?«
    »Den Toten ist es egal, wo sie begraben sind.«
    Er hatte Larissa dort beisetzen lassen, weil auch ihre Eltern dort begraben waren. Auch sich selbst hatte er eine Grabstätte besorgt.
    »Es muss schwer sein, jeden Tag an sie zu denken.«
    »Ja, das ist es.«
    Ihm fiel wieder Stoljanows Satz ein. Verdammt richtig, dachte er. Und je länger man lebt, desto schlimmer wird es.
    Stoljanow gab ihm ein Flugtickket.
    Grischa stand auf. Er klemmte sich die Akte unter die Achsel. »Sonst noch was?«
    Stoljanow schüttelte den Kopf.
    »Eigentlich nicht.«
    Grischa nickte und verließ das Büro.
    Auf dem Weg zu seinem Wagen bettelte ihn eine alte Frau mit vom grauen Star vernebelten Augen um ein paar Kopeken an. Ihr Rock war schmutzig und sie roch nach Krankheit, so wie alte Menschen in Krankenhäusern rochen. Grischa leerte seine Taschen und füllte ihre knotige, raue Hand mit seinen letzten Münzen. Sie murmelte etwas und humpelte zu einer Gruppe räudiger alter Männer, die sich um eine Flasche Wodka stritten. Ein struppiger, ausgezehrter Köter zerrte an seiner Kette, die ihn gnadenlos an die Verlorenen hier

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