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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
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schlecht waren.«
    »Nicht immer … manchmal.«
    Er blickte zu den vielen Lampen im Zimmer, alle erloschen, weil sie es so wollte, oder? Die zunehmende Verfinsterung machte ihm zu schaffen. Als sie das bemerkte, stand sie auf und schaltete das Licht an.
    »Ich bin unhöflich«, sagte sie, »lasse Sie einfach im Dunkeln sitzen.«
    »Was wollte Stefan von seiner Mutter?«
    »Ich schätze, er wollte sie noch einmal sehen, bevor er aufs Dach stieg.«
    »Sie meinen, er ist nach Hause gekommen, um sich hier umzubringen? Das hätte er auch in Melbourne tun können. Ich glaube, er hatte einen ganz bestimmten Grund, um zurückzukommen.«
    »Um unsere Mutter zu töten?«
    »Vielleicht.«
    »Nein.«
    »Manchmal will man so etwas einfach nicht wahrhaben. Welche Beziehung hatte er zu ihr? Er nannte sich Phelps, nicht Beenhakker, warum?«
    »Er hat drüben den Namen seiner Frau angenommen. Er wollte, was das Vergangene angeht, gründlich sein.«
    Aber er war nicht gründlich genug, dachte Abraham. Was auch immer ihn quälte, es hatte ihn gefunden, trotz Australien, trotz eines neuen Namens, eines neuen Lebens.
    Er sagte: »Ihr Bruder ist von dem Dach des Hauses gesprungen, kurz nachdem er Ihre Mutter in ihrer Wohnung körperlich attackiert hat. Ich muss Sie das fragen: Hat Ihnen Stefan sein Kommen angekündigt?«
    Sie schluckte hart. »Ich wusste, dass er kommt.«
    »Seit wann?«
    »Er rief mich vom Flughafen aus an.«
    »Aus Melbourne?«
    »Nein, Tegel.«
    »Wussten Sie, was er vorhatte?«
    »Nein. Natürlich nicht.« Ihre Augen schwammen und jede Härte verlor sich aus ihrer Stimme. »Glauben Sie, ich hätte das zugelassen?«
    »Nein«, sagte Abraham. »Nein, das glaube ich nicht.«
    »Sein Eintreffen hat mich auch überrascht.«
    »Woher wusste er, wo Sie wohnen und dass Sie geschieden sind, wenn es doch keinen regelmäßigen Kontakt zwischen Ihnen gab?«
    »Vor drei Jahren haben wir zuletzt telefoniert. Da hab ichihm ein wenig aus meinem Leben erzählt. Und er aus seinem. Er erzählte mir von seinen Kindern, seinen Töchtern. Wie stolz er war, als er ihre Namen erwähnte. Und wie traurig er sich dabei gleichzeitig anhörte.«
    Ihre Stimme drohte zu brechen.
    Abraham merkte, dass er ihr zusetzte. Normalerweise hätte ihn das nicht gestört – er spürte deutlich, wenn er sich dem Kern der Wahrheit näherte, und es war ihm egal, ob er dabei eine Kernschmelze auslöste, wenn er dabei nur dem Mörder und seinem Verbrechen nahe kam. Dann gab es keinen Spielraum für Zurückhaltung, dann galt es, immer weiterzumachen und nicht nachzulassen.
    Aber diesmal war es anders.
    Sie war anders, das war der Punkt.
    »Sie sagen, Sie haben ihn beschützt – wovor?«
    »Vor allem. Er war kein besonders gefestigter Mensch. Er hatte vor allem Angst. Das hatte mit unserer Kindheit zu tun.«
    »Und mit Ihrer Mutter.«
    Sie nickte.
    »Sie müssen mir davon erzählen. Was ist Ihnen und Ihrem Bruder geschehen, dass weder Sie noch er Kontakt zu ihr hatten? Sie muss doch etwas damit zu tun haben. Sie war der Grund, warum Ihr Bruder ausgewandert ist, nicht wahr? Und warum Sie …«
    Er hielt inne, als er an Lydias selbstbeigebrachte Wunden dachte.
    »Hat Stefan seine Mutter gehasst? So sehr, dass er bereit war, ihr – und das auch noch nach Jahrzehnten – etwas anzutun?«
    Sie atmete tief durch. War schweißgebadet, trotz der Kälte draußen. »Nicht heute«, sagte sie müde. »Es war doch ein bisschen viel. Ich würde mich gerne hinlegen.«
    Abraham nickte. Er war neugierig darauf, mehr zu hören, zu erfahren, auch über Lydia, aber ja: für heute reichte es.
    »Haben Sie jemanden, der sich um Sie kümmert?«
    »Ich könnte meinen Exmann anrufen, wenn er denn interessiert wäre.« Sie machte eine lange, bittere Pause. »Ist er aber nicht.«
    »Das tut mir leid.«
    »Mir auch. Irgendwie hab ich auch das vermasselt.«
    Verlegenes Schweigen, so als wartete der eine auf ein bestimmtes Wort des anderen, das die Situation zwischen ihnen grundlegend veränderte. Doch erschöpft von den dunklen Ereignissen des Tages, ließen sie beide den Augenblick verstreichen. Lydia sah ihn an, so als hätte sie die Vermutung, dass sie sich von früher her kannten, von vor langer Zeit, aber wahrscheinlich hatte das nichts zu bedeuten, und er deutete ihren Blick nur falsch.
    Abraham stand auf.
    »Ich melde mich, sobald wir weitere Erkenntnisse haben.«
    Der Satz klang so abgedroschen, geschäftsmäßig und nüchtern, dass er ihm beinahe im Hals stecken blieb; irgendwie

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