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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Kopf durch die Luft segelte und mit dumpfem Knall in einem großen Haufen Hundescheiße landete.
    Ein Schwarm schwarzer Fliegen stob aus dem Farn auf. Stocksteif stand Fran mit offenem Mund da. Auch der meine stand offen. Ich kroch aus meinem Versteck hervor und streifte mir schnell das Seil von der Hand ab. Ada kam mir nach. Keine von uns gab einen Laut von sich. Alles, was wir hörten, war das wütende Summen der Fliegen und das winselnde »Oh! Oh!« eines Mannes in großer Not.
    Dann tauchte der Kopf von Tisch sechs aus dem Farn auf. Seine Brille hing ihm vom linken Ohr herab. Fran sah ihn an und brach in Lachen aus. Ada und ich ebenso. Er rappelte sich auf und blickte ungläubig auf seine Handflächen, die mit Hamlets Geschäft beschmiert waren. Auch sonst war er überall beschmiert – seine Krawatte und die ganze Vorderseite seiner weißen Anzugjacke.
    Fran kriegte sich kaum mehr ein vor Lachen. »Jetzt sehen Sie genauso dreckig aus, wie Sie sind!« sagte sie höhnisch.
    Er riß die Augen auf. »Na warte, du … du verdammtes Miststück!« stotterte er. »Das hast du mit Absicht getan! Ich laß dich rauswerfen! Ich laß euch alle rauswerfen!«
    Fran ließ sich nicht einschüchtern. »Sie halten schön das Maul und Ihren Ochsenschniedel in der Hose. Mister, sonst sag ich meinem Pa, was Sie machen wollten, und dann ergeht’s Ihnen noch schlimmer!« sagte sie. Sie würde zwar nichts dergleichen tun, aber das wußte Tisch sechs ja nicht.
    Sie drehte sich um und lief zum See, und Ada und ich lachend und prustend hinter ihr her. Ich drehte mich einmal um und sah Tisch sechs zum Hotel zurückstolpern. Ich wünschte, ich hätte seine Ankunft miterleben können. Mrs. Morrison würde ihn so nie ins Glenmore lassen, sondern ihm sagen, daß er zuerst in den See springen sollte. Wortwörtlich.
    Als sie ans Ufer kam, riß sich Fran das Tuch vom Kopf und warf es in den Sand. Sie schüttelte ihre leuchtend roten Locken aus, tauchte ins Wasser und kam kurz darauf, immer noch lachend, wieder hoch. Dann nahm sie einen Mund voller Wasser und spritzte es wie eine Fontäne wieder aus. Ada und ich machten dasselbe, danach schwammen wir so weit hinaus, wie wir uns trauten, bildeten wassertretend einen Kreis und genossen unseren Sieg. Ada und ich sagten immer wieder, wie mutig Fran gewesen sei, und Fran meinte. sie hätte nie dergleichen gewagt, wenn wir nicht gewesen wären, und daß es äußerst schlau gewesen sei, das Seil so gut zu verstecken und genau zum richtigen Zeitpunkt anzuziehen.
    Wir schwammen noch eine Weile herum, spritzten uns naß und spielten wie junge Ottern. Ich hob mein Gesicht in die Sonne, obwohl ich wußte, daß ich das nicht tun sollte – Mama hatte mir hundertmal gesagt. daß dadurch meine Sommersprossen noch schlimmer würden – aber das war mir egal. Ich war mehr als glücklich. Es war ein Triumph. Wir hatten es Tisch sechs gezeigt.
    Eine Weile ließen wir uns auf dem Rücken treiben und vom See kühlen, bevor wir rausgingen und uns abtrockneten. Das Gewicht des Wassers zog unsere Badeanzüge in die Länge und ließ sie noch unförmiger aussehen als zuvor. Bei Fran hing der Schritt so tief. daß sie aussah wie ein Pinguin. Als wir ihr das sagten. begann sie, mit nach außen gestellten Füßen herumzuwatscheln, was uns noch mehr zum Lachen brachte.
    Schließlich ließen wir uns in einen Sandhaufen fallen. schüttelten das Haar aus und legten es über die Schultern, damit es trocknete. Eine Weile schwiegen wir alle und lauschten den Grillen in den Bäumen. Die Balsambäume dufteten so intensiv, daß es uns benommen machte. Wir beobachteten eine Entenfamilie, die auf uns zukam, um nachzusehen, ob es etwas zu fressen für sie gab – und noch immer sagten wir kein Wort.
    Ich war diejenige, die schließlich das Schweigen brach. »Wir sollten lieber zurückgehen«, sagte ich. »Die Köchin zieht uns bei lebendigem Leib die Haut ab. wenn wir zu spät zum Mittagessen kommen.«
    Â»Ach Matt, ich will nicht zurück«, sagte Ada. »Es ist so schön und friedlich hier. So ruhig.«
    Â»Es ist die Ruhe vor dem Sturm«, sagte Fran. »Die Köchin hat mir gesagt, daß hundertfünf Gäste zum Mittag- und neunzig zum Abendessen kommen.«
    Ada und ich stöhnten auf.
    Fran lächelte uns hinterhältig an. »Wer bedient

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