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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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hätten das Haus angezündet und seien dann in Richtung Norden in die Wälder gerannt. Zumindest glaub ich, daß sie das gesagt hat. Im Moment ist nichts Rechtes aus ihr rauszukriegen, sie ist ziemlich schlimm zugerichtet. Sie hat mit ihnen gekämpft. Einer hat ihr den Arm gebrochen.«
    Ich legte die Hände an die Wangen und schüttelte den Kopf.
    Â»Hör mir gut zu, Matt. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wo die Männer hingegangen sind. Ich möchte nicht, daß du nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Hotel gehst. Nicht bevor sie gefunden sind. Und Weaver hältst du auch im Haus. Verstanden?«
    Ich nickte, dann rannte ich zu Emmies Haus.
    Die Köchin war bereits da, sie versuchte Kaffee oder Tee zu finden und murmelte etwas über den Zustand des Haushalts. Mrs. Burnap und Mrs. Crego waren ebenfalls da. Auch Dr. Wallace. Und Weaver. Die meisten der Hubbard-Kinder drängten sich mit aufgerissenen Augen auf einem abgewetzten Sofa zusammen oder saßen davor auf dem Boden. Lucius spielte in einem Berg schmutziger Wäsche.
    Â»Komm, Mama, laß den Doktor deinen Arm sehen«, sagte Weaver.
    Weavers Mama schüttelte den Kopf. Sie saß auf Emmies Bett, hielt den rechten mit dem linken Arm fest und schaukelte hin und her. Emmie saß neben ihr, hatte den Arm um sie gelegt, redete ihr gut zu, beruhigte sie und sagte, daß alles gut werden würde. Doch Weavers Mama schien sie nicht zu hören. Sie hörte niemanden. Mit gesenktem Kopf wiederholte sie bloß ständig: »Es ist weg, alles ist weg! O Jesus, hilf mir – es ist weg!«
    Weaver kniete sich vor ihr nieder. »Mama, bitte«, sagte er.
    Â»Mrs. Smith, ich muß mir Ihren Arm ansehen«, sagte Dr. Wallace.
    Emmie scheuchte ihn weg. »Lassen Sie sie doch in Ruhe und eine Weile schaukeln, sie kommt schon wieder zu sich. Ich kenn das.«
    Â»Sie hat einen schlimmen Bruch. Das kann ich rein äußerlich erkennen.«
    Â»Der macht sich schon nicht aus dem Staub. Darum können Sie sich auch ein bißchen später noch kümmern. Warum setzen Sie sich nicht einen Moment hin und hören auf, alle verrückt zu machen?«
    Dr. Wallace biß die Zähne zusammen, setzte sich aber. Weaver stand auf und ging in dem kleinen Raum auf und ab.
    Â»Ein paar Schluck von meinem Bitterhopfensirup bringen sie wieder zu sich«, sagte Mrs. Crego und griff in ihren Korb.
    Â»Das ist nicht nötig«, erwiderte Dr. Wallace schroff. »Das überschneidet sich bloß mit dem Laudanum, das ich ihr geben werde.«
    Mrs. Crego funkelte ihn wütend an. Er erwiderte ihren Blick, ebenso wütend. Die Köchin fand etwas Zichorie in einer Büchse. Lucius in dem schmutzigen Wäscheberg gluckste. Mrs. Burnap nahm ihn hoch und verzog das Gesicht, als sie feststellte, daß seine Windel naß war. Und während der ganzen Zeit schaukelte Weavers Mama jammernd hin und her.
    Ich ging zu Weaver und nahm seine Hand. »Was hat sie? Warum tut sie das? Ist es wegen des Hauses?«
    Â»Ich weiß nicht«, antwortete er. »Vielleicht wegen der Tiere … oder ihrer Sachen. Sie hatte Fotografien und solches Zeug. Oder vielleicht ist es doch wegen des Hauses …«
    Â»Der Teufel soll das Haus holen!« rief Mrs. Smith plötzlich. »Glaubt ihr, ich scher mich einen Pfifferling um die alte Hütte?« Sie hob den Kopf. Ihre Augen waren von Rauch und Tränen gerötet. »Sie haben dein College-Geld gefunden, Weaver«, sagte sie. »Sie haben alles genommen. Jeden Penny. Es ist weg. Gütiger Gott, alles ist weg.«

Le •po • rin
    Â»Wo ist Weaver? Wo ist er?« fragte mich die Köchin. »Ständig probiert er, mir ein Stück von dem Kokoscremekuchen abzuschwatzen. Jetzt hab ich eins für ihn, und er ist verschwunden. Mattie, bitte such ihn.«
    Normalerweise hob die Köchin keine Kuchenstücke für jemanden auf, aber sie machte sich Sorgen um Weaver. Wir alle machten uns Sorgen. Ich hatte eine Ahnung, wo er sein konnte, und fand ihn schnell. Er saß am Dock. Er hatte die Hosenbeine hochgerollt und ließ die Füße im Wasser baumeln.
    Â»Warum ist das wirkliche Leben nicht so wie in den Büchern?« fragte ich und setzte mich neben ihn. »Warum sind die Menschen nicht einfach und unkompliziert? Warum tun sie nicht, was man von ihnen erwartet, wie in den Romanen?« Ich zog meine Schuhe und Strümpfe aus und ließ meine Füße

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