Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
mich ausgesucht? Was konnte es sein? Einen Band von Austen oder Bronte? Vielleicht Zola oder Hardy?
    Ich machte das Papier auf und sah, daß es ein Band von Fannie Farmer war. Ein Kochbuch.
    Royal beugte sich vor. »Ich dachte, das könntest du bald brauchen.«
    Ich klappte es auf. Auf der Titelseite stand der Name von jemand anderem. Ich blätterte schnell die Seiten durch, die teilweise Flecken hatten.
    Â»Es ist nicht neu, nur aus zweiter Hand. Hab’s bei Tuttle’s bekommen. Es hat verschiedene Kapitel, siehst du? Fleisch und Geflügel … Backwerk …«
    Ich sah ihm an, wieviel ihm daran gelegen war, daß es mir gefiel. Und mir war klar, daß er es versucht, aber alles nur schlimmer gemacht hatte.
    Â»Ach Mattie, ist das nicht ein schönes Geschenk?« sagte die Köchin und stupste mich in den Rücken. »So aufmerksam. Und so praktisch. Heutzutage können die Mädchen ja nicht mehr kochen. Ich hoffe, du hast dich bei ihm bedankt …«
    Â»Danke, Royal«, sagte ich und lächelte so angestrengt, daß mir das Gesicht wehtat. »Vielen, herzlichen Dank.«

Ab • usus
    Â»Ichhab gehört, Royal ist gestern abend vorbeigekommen«, sagte Weaver. Es war zehn Uhr. Das Frühstück war vorbei. Wir schälten Erbsen auf der Hintertreppe.
    Â»Ja, das stimmt.«
    Â»Hab gehört, er hat dir ein Buch zum Geburtstag geschenkt.«
    Â»Ja.«
    Â»Einen Roman?«
    Ich antwortete nicht.
    Â»Ha?«
    Â»Ha was, Weaver? Was meinst du mit
ha?«
    Â»Ich hab mich bloß gefragt …«
    Â»Was gefragt?«
    Â»Mich gefragt, ob’s in deinem Lexikon ein Wort für Leute gibt, die die Wahrheit kennen, aber so tun, als wüßten sie sie nicht.«

M
attie.«
    Â»Mhm.«
    Es ist sehr spät. Oder noch sehr früh. Ich bin mir nicht sicher. Aber egal, ich schlafe. Bin endlich eingeschlafen. Und daran soll sich auch nichts ändern. Doch ich höre das Geräusch von Stiefelabsätzen auf den Dielenbrettern. Sie kommen auf mein Bett zu. Ada oder Fran wahrscheinlich, die mich wecken wollen. Ich will nicht aufstehen. Ich will schlafen.
    Â»Mattie.«
    Â»Geh weg«, murmle ich.
    Dann höre ich etwas Seltsames. Wasser. Ich höre das Geräusch von tropfendem Wasser.
    Â»Mattie.«
    Ich öffne die Augen. Grace Brown steht an meinem Bett. Sie hält mein Lexikon in der Hand. Ihre Augen sind so dunkel und unergründlich wie der See.
    Â»Sag mir Mattie«, sagt sie. »Warum hört sich
gravid
wie
Grab
an?«

Un • ver • gleich • lich
    Â»Hat Hamlet gemacht?« fragte mich Fran.
    Â»Ja, sicher.«
    Â»Groß?«
    Â»Wie ein Elefant.«
    Â»Wie seh ich aus?«
    Â»Toller als Lillian Russell«, antwortete ich und befestigte eine Rose hinter ihrem Ohr.
    Â»Warte«, sagte Ada und zwickte sich in die Wangen. »Jetzt beiß dir auf die Lippen.« Sie tat es.
    Â»Also gut«, sagte Fran. »Ihr beide wißt, was ihr tun müßt. Versteckt euch hinter den Bäumen und wartet. Wenn alles gutgeht, sehen wir uns am See. Wenn nicht. dann kommt um Himmels willen und rettet mich.. »Na los, ihm nach, Frannie«, sagte ich.
    Fran glättete den Rock ihres Badekleids, zog den Stoff über dem Busen straff, zwinkerte uns zu und marschierte in Richtung des Gäste-Cottages davon. Ada und ich, ebenfalls in Badekleidern, warteten, bis sie außer Sichtweite war, und gingen dann in den Wald. Tisch sechs war zu weit gegangen.
    Die arme kleine Ada war am Abend zuvor zum Bootshaus runtergegangen, um nach dem allwöchentlichen Unterricht im Fliegenfischen die Teller und Gläser zurückzubringen. Sie dachte, das Bootshaus wäre leer. Die Führer waren schon gegangen und die Gäste auch. Bis auf einen – Tisch sechs. Sie schaffte es, zu
    entkommen, bevor er ihr zeigen konnte, was sie nicht sehen wollte, aber nicht, bevor er ihr sagte, daß er sich einen runterholen würde, und verschiedene andere schmutzige Dinge, die es nicht wert sind, wiederholt zu werden.
    Fran wollte es der Köchin oder Mr. Sperry sagen. Neulich habe er Jane Miley in die Ecke gedrängt, als sie sein Zimmer saubermachte, und jetzt sei’s genug. Aber Ada hielt sie zurück. Sie meinte, wenn ihr Vater davon Wind bekäme, wäre er sauer auf sie. Väter hatten die Angewohnheit, einen für derlei Dinge selbst verantwortlich zu machen. Ada sagte, ihr Pa würde sie zwingen, ihre Stelle

Weitere Kostenlose Bücher