Das Licht des Nordens
machâs fertig. Warum gehst du nicht hinterdrein und sammelst die Steine auf?«
Ich tat, was er gesagt hatte, und stapfte hinter ihm her und warf Steine und Wurzeln in einen Kübel, den ich am Ende jeder Furche auskippte.
»Wie gehtâs dir da hinten?« rief er nach ein paar Furchen und drehte sich zu mir um.
»Gut«, antwortete ich, und dann stolperte ich über meinen Kübel. Er blieb stehen, wartete, bis ich mich wieder aufgerichtet hatte und setzte seine Arbeit fort. Er bewegte sich schnell voran, und es war schwer, mit ihm Schritt zu halten. Seine Furchen waren gerade und tief. Viel besser als die, die ich gemacht hatte. Im Vergleich mit ihm kam ich mir unbeholfen vor. Und fühlte mich frustriert.
Tolpatschig.
»Der Boden ist gut. Dunkel und fruchtbar.«
Ich sah darauf nieder. Er war so schwarz wie nasser Kaffeesatz. »Ja, das stimmt«, antwortete ich.
»Der sollte euch eine gute Ernte bringen. Warum nennt ihr euer Muli Pleasant? Es ist alles andere als freundlich.«
»Das ist eine Misnomination«, sagte ich, erfreut. mein Wort des Tages anzuwenden.
»Du nennst dein Muli Miss? Miss Pleasant? Das Muli ist doch ein Er!«
»Nein, nicht âºMiss Pleasantâ¹, Misnomination. Das ist eine Fehlbezeichnung. Als würde man eine dicke Person Slim nennen. Es ist mein Wort des Tages. Jeden Morgen such ich mir aus dem Lexikon ein Wort aus. merk es mir und versuche, einen Satz damit zu bilden. Das hilft, den Wortschatz zu vergröÃern. Im Moment lese ich gerade
Jane Eyre
und muà kaum ein Wort nachsehen.
Misnomination
ist in einem Gespräch allerdings schwer unterzubringen, aber als du nach Pleasant gefragt hast, hatte ich Gelegenheit dazu. Es war die perfekte Gelegenheit â¦Â«
Royal warf mir über die Schulter hinweg einen vernichtenden Blick zu, der mir das Gefühl gab, das gröÃte Plappermaul von Herkimer County zu sein. Ich schwieg und fragte mich, womit Mädchen wie Belinda Becker es wohl schafften, die Aufmerksamkeit der Jungs zu fesseln. Ich kannte eine Menge Wörter â eine Menge mehr als Belinda, die ständig kicherte und Dinge wie »Mordskerl« und »Kumpel« und »hoffnungslos pleite« sagte â, aber nicht die richtigen. Eine Weile hielt ich den Blick auf die Furchen gerichtet, was aber langweilig wurde, weshalb ich auf Royals Hinterteil starrte. Eigentlich hatte ich bislang dem Hinterteil eines Mannes keine Aufmerksamkeit geschenkt. Pa hatte keines. Seins war so flach wie ein Keks. Mama hat ihn deswegen immer aufgezogen, und er sagte. die Bosse in den Holzfällerlagern hätten es ihm platt gemacht. Royals hingegen fand ich sehr hübsch. Rund und stolz wie zwei Laib Sodabrot. In dem Moment drehte er sich um, und ich wurde rot. Ich fragte mich. was Jane Eyre getan hätte, dann fiel mir ein, daà Jane eine sittsame Engländerin war und Rochesters Hinterteil ohnehin nicht angestarrt hätte.
»Wo ist eigentlich dein Pa?« fragte Royal.
»Bei Daisy, die kalbt. Und bei Abby. Die nicht kalbt. meine ich.« Ich wünschte, ich hätte mir den Mund zunähen können.
Es folgten weitere Fragen. Was mein Pa als Dünger verwende. Wieviel Hektar er roden wolle. Ob er im Frühling Kartoffeln anbaue. Was er von Buchweizen halte. Und ob es nicht schwer für ihn sei, die Farm allein zu betreiben.
»Er ist ja nicht allein«, sagte ich. »Er hat ja mich.«
»Aber du bist doch noch in der Schule? Warum gehst du überhaupt noch hin? Schule ist doch was für Kinder, und du bist doch schon ⦠fünfzehn, oder?«
»Sechzehn.«
»Wo ist Lawton? Kommt er nicht mehr heim?«
»Schreibst du einen Artikel für die Zeitung, Royal?« fragte Lou.
Royal lachte nicht. Ich schon. Danach schwieg er. Zwei Stunden später hatte er das ganze Feld gepflügt. Wir setzten uns hin, um uns auszuruhen, und ich gab ihm ein Stück von dem Maiskuchen, den ich mitgebracht hatte, und schenkte ihm Limonade aus einem Steinkrug ein. Tommy, Lou und Beth gab ich ebenfalls je ein Stück.
Royal beobachtete, wie Tommy sein Stück aÃ. »Die Hubbards schieben ständig Kohldampf, was? Kriegen nie genug«, sagte er. »Warum bist du hier, Tom?«
Tommy sah auf seinen Maiskuchen, der krümelig und gelb in seinen schmutzigen Händen lag. »Weil ich Mattie helfen will, wahrscheinlich. Und ihrem Pa auch.«
»Warum hilfst du nicht deiner Mama und pflügst ihr
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