Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
willst. Du könntest es mir leihen. Ich würde es zurückbezahlen … jeden Penny davon. Bitte. Tante Josie?« Die letzten Worte waren nur noch ein Flüstern.
    Meine Tante antwortete nicht sofort. Sie sah mich bloß auf eine Weise an, daß ich plötzlich verstand, wie sich Hester Prynne gefühlt haben mußte, als sie auf diesem Schaugerüst stand.
    Â»Du bist genauso schlecht wie dein nichtsnutziger Bruder«, sagte sie schließlich. »Egoistisch und gedankenlos. Es muß von der Seite der Gokeys kommen. weil es von den Robertsons nicht kommen kann. Was um alles in der Welt glaubst du eigentlich? Deine Schwestern im Stich zu lassen, obwohl sie dich brauchen? Und wegen eines schrecklichen Orts wie New York!« Sie machte mit dem Kopf ein Zeichen zu der Figur hin, die ich gerade in der Hand hielt. »Stolz. Das paßt sehr gut. Hochmut kommt vor dem Fall. Du sitzt auf einem sehr hohen Roß, Mathilda. Ich weiß nicht. wer dich da oben hingesetzt hat, aber du solltest lieber schleunigst heruntersteigen.«
    Die Standpauke wäre noch weitergegangen, aber plötzlich roch es nach Rauch, worauf meine Tante aufsprang und in die Küche watschelte, um nach der Pastete zu sehen, die sie gerade im Ofen hatte. Für eine Invalide bewegt sie sich flink wie ein Wiesel, wenn sie will.
    Ich blieb auf der Leiter stehen und sah auf die Statuette in meiner Hand.
Du hast unrecht, Tante Josie.
dachte ich.
Es ist nicht Stolz, der mich treibt. Sondern eine andere Sünde.
Schlimmer als andere Sünden, die aus unmittelbarer, heftiger Leidenschaft entstehen. Diese jedoch sitzt tief in einem drin und frißt einen ganz leise von innen auf, wie die Trichinen, die die Schweine kriegen. Es ist die achte Todsünde. Diejenige, die Gott vergessen hat.
    Hoffnung.

Xero •phil
    Mrs. Loomis’ Küche war so ordentlich und sauber. daß sie mir angst machte. Wie Mrs. Loomis selbst. Ihre Schürze war immer strahlend weiß, und sie stopfte sogar ihre Putzlappen. Mit Lou und Beth stand ich in ihrer Küche und entschuldigte mich für Daisy, unsere Kuh. Sie und ihr Kalb waren durch den Zaun zwischen unserem und Frank Loomis’ Land gebrochen. Durchs Küchenfenster konnte ich sehen, wie sich die beiden im Kuhteich suhlten.
    Â»Es tut mir sehr leid wegen des Zauns, Mrs. Loomis«, sagte ich. »Pa wird ihn reparieren. In ein oder zwei Stunden sollte er damit fertig sein.«
    Mit ihren blaßblauen Augen blickte sie kurz von der Kartoffel auf, die sie gerade schälte. »Das ist das zweite Mal diesen Monat, Mattie.«
    Â»Ich weiß, Ma’am. Ich hab keine Ahnung, warum sie das tut. Obwohl wir doch selbst einen sehr schönen Teich haben«, antwortete ich und drehte an der Schlinge, die ich mitgebracht hatte, um Daisy zurückzuholen.
    Â»Füttert dein Pa Luzerne?«
    Â»Nein, Ma’am.«
    Â»Dann muß sie eigenwillig sein. Bind sie ein paar Tage im Stall fest und gib ihr weniger zu fressen. Dann wird sie ruhiger.«
    Â»Ja, Ma’am«, antwortete ich, wohl wissend, daß ich Daisy nichts dergleichen antun würde. »Ja, also ich geh dann mal und hol sie. Lou, Beth, kommt mit.«
    Als wir eingetreten waren, hatte Mrs. Loomis gerade ein Blech mit Sirupplätzchen aus dem Ofen genommen. Sie kühlten auf der Theke aus und dufteten nach Ingwer und Nelken. Meine Schwestern konnten den Blick nicht von den Plätzchen wenden, was Mrs. Loomis nicht entging, und ihre schmalen Lippen wurden noch schmaler. Sie gab den Mädchen eines, das sie sich teilen mußten. Mir gab sie keins. Gestern hab ich Mr. Loomis gesehen, der Emmie Hubbard ein paar Eier brachte. Das fand ich sehr nett von ihm, und ich fragte mich, wie er es mit einer so bösen und geizigen Frau aushielt.
    Xerophil
heißt mein Wort des Tages, und es bedeutet, in der Lage zu sein, sich an eine trockene Umwelt anzupassen. Als ich in Mrs. Loomis Küche stand. wo es keine inkontinenten Hunde, keine von Flöhen geplagten Hubbards und keine vergilbten Kalenderblätter an der Wand gab, fragte ich mich, ob nur Pflanzen xerophil sein konnten oder auch Menschen dazu fähig waren.
    Â»Ich guck mal, ob einer der Jungs in der Nähe ist, um dir zu helfen«, sagte Mrs. Loomis. »Will! Jim! Royal!« rief sie aus dem Fenster.
    Â»Ist schon gut, wir schaffen das schon«, sagte ich und wandte mich zur Hintertür.
    Am Stall vorbei ging ich zum Kuhteich. Lou und Beth trotteten hinter

Weitere Kostenlose Bücher