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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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es aber nicht. Jeder, der Augen im Kopf hatte, konnte sehen, daß Royal hübsch und ich reizlos war. Und sich endlos darüber auszulassen, ich sei verliebt in ihn, war gemein. Genauso, als wenn man ein lahmes Mädchen fragen würde, was es zum Tanzen anziehe.
    Â»Ich hab mich nicht
›rumgetrieben‹«,
sagte ich zu meiner Tante. »Royal und ich waren zufällig zur selben Zeit auf dem Pökelboot, und er hat mich mit nach Hause genommen, das ist alles.«
    Doch eine schlichte Mitfahrgelegenheit nach Hause war kein Anlaß für guten Klatsch, und Tante Josie gab sich nicht damit zufrieden.
    Â»Also, Mattie, ich weiß, wenn ein Mädchen in einen Jungen verliebt ist …«
    Ich reagierte nicht darauf und staubte weiter ab.
    Â»Ich hab ein Geschenk für dich«, flötete sie. »Hast du das schöne Tischtuch gesehen, das ich auf den Küchentisch gelegt habe? Das ist für dich.«
    Ich hatte es gesehen. Es war vergilbt, alt und ausgefranst. Ich dachte, sie wollte, daß ich es wasche, flicke oder wegwerfe. Dennoch war mir klar, daß es besser war, ihr überschwenglich zu danken, denn das erwartete sie von mir. Mama hätte nichts anderes erwartet. Also tat ich es.
    Â»Gern geschehen, Mathilda. Vielleicht kann ich dir bei deiner Aussteuer helfen. Nachdem du dich verlobt hast allerdings. Vielleicht können dein Onkel Vernon und ich etwas zu deinem Porzellan und Besteck beisteuern …«
    Ich drehte mich um, entschlossen, ihr Gequatsche über Verlobungen im Keim zu ersticken, bevor es Alma McIntyre, ganz Inlet und Eagle Bay und schließlich Royal Loomis zu Ohren kam. »Findest du nicht, daß du ein bißchen übertreibst, Tante Josie? Es war ja nicht mehr als eine gemeinsame Heimfahrt.«
    Â»Ach Mattie, ich verstehe ja, daß du zögerst, die Sache allzusehr aufzubauschen, ehrlich. Du bewahrst immer einen kühlen Kopf und glaubst vermutlich. daß die Aufmerksamkeit von seiten eines Jungen wie Royal mehr bedeutet, als ein durchschnittliches Mädchen wie du erwarten kann. Aber das ist zu viel Bescheidenheit. Wenn er Interesse zeigt, solltest du ihn ruhig ermuntern. Vielleicht hast du nicht noch mal die Chance, einen Jungen wie Royal kennenzulernen.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. Ich weiß, daß ich zu viele Sommersprossen und braune Schnittlauchlocken habe. Mama hat mein Haar als kastanienbraun bezeichnet, aber es ist schlichtweg bloß braun, genauso reizlos wie meine braunen Augen. Ich weiß, daß meine Hände rauh und schwielig sind und mein Körper klein und stämmig. Ich weiß, daß ich nicht wie Belinda Becker oder Martha Miller aussehe – die alle blond sind, blaß und zart, mit Bändern im Haar. Das weiß ich alles und brauche nicht meine Tante, damit sie mich daran erinnert.
    Â»Ach Mattie, ich wollte dich nicht verlegen machen. Die Sache hat dich bedrückt, nicht wahr? Ich wußte doch, daß du was hattest. Kein Grund, so bescheiden zu sein! Ich weiß, daß das alles ganz neu für dich ist, und ich weiß auch, daß es schwer für dich sein muß. Aber sorg dich nicht, meine Liebe. Ich verstehe es als Pflicht einer Mutter gegenüber ihrer Tochter. und nachdem deine Mama nicht mehr ist, werde ich sie an ihrer Stelle erfüllen. Gibt es da irgend etwas, das du wissen möchest? Irgend etwas, was du mich fragen willst?«
    Ich umklammerte die Figur, die ich gerade putzte. »Ja, Tante Josie, da gibt es etwas.«
    Â»Nur zu, meine Liebe.«
    Eigentlich wollte ich mein Anliegen langsam und vernünftig vorbringen, aber die Worte stürzten wie ein Wasserfall aus mir heraus. »Tante Josie, kannst du … würdest du … ich möchte aufs College, Tante Josie. Wenn du mir Geld für Porzellan und Silber geben würdest, würdest du es mir statt dessen auch für Bücher und eine Fahrkarte geben? Ich bin angenommen worden. Am Barnard College. In New York City. Ich hab mich im Winter beworben und bin reingekommen. Ich möchte Literatur studieren, hab aber kein Geld, um hinzukommen, und Pa will mich nicht im Glenmore arbeiten lassen, und ich dachte, daß du vielleicht … wenn Onkel Vernon …«
    Alles veränderte sich, während ich sprach. Tante Josies Lächeln verschwand so schnell von ihrem Gesicht wie ein Eiszapfen, der über ein Blechdach hinunterrutscht.
    Â»â€¦ du müßtest es mir ja nicht schenken, wenn du. wenn du nicht

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