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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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zählte, nachdem er seine Unterkunft bezahlt hatte. hatte er zwei Zehn-Dollar-Noten und vier Dollar. Wieviel hat er für seine Unterkunft bezahlt, und wie hoch war sein Lohn?«
    Â»Also gut. Jetzt denk nach«, sagte Weaver. »Wie würdest du das lösen? Was ist X?«
    Ich dachte eine Weile intensiv nach. Über den Mann. seinen mageren Lohn, seine schäbige Pension und sein einsames Leben. »Wo hat er gearbeitet?« fragte ich schließlich.
    Â»
Was?
Das ist doch egal, Matt. Ordne einfach ein X …«
    Â»Sicher in einer Spinnerei«, sagte ich und stellte mir seine verschlissenen Kleider und abgenutzten Schuhe vor. »In einer Wollspinnerei. Warum mußte er deiner Meinung nach pausieren?«
    Â»Ich weiß nicht, warum. Hör zu, nimm einfach …«
    Â»Ich wette, daß er krank geworden ist«, sagte ich und umklammerte Weavers Arm. »Oder die Geschäfte liefen schlecht, und sein Boß hatte keine Arbeit für ihn. Ob er wohl eine Familie auf dem Land hatte? Das wäre schrecklich, nicht wahr, wenn er Kinder zu ernähren und keine Arbeit gehabt hätte? Vielleicht war auch seine Frau krank. Und ich wette, daß er …«
    Â»Verdammt, Mattie, das ist
Algebra
und nicht Aufsatzschreiben!« unterbrach mich Weaver und funkelte mich wütend an.
    Â»Tut mir leid«, antwortete ich hilflos.
    Weaver sah in den Himmel hinauf, seufzte und schüttelte den Kopf. Dann schnippte er plötzlich mit den Fingern und lächelte. »Erinnerst du dich an das Wort des Tages?« fragte er und schrieb
monochrom
in den Staub.
    Â»Ja«, antwortete ich. »Es bedeutet einfarbig. Oder bezeichnet eine Person, die farbenblind ist. Aber was hat das mit Algebra zu tun?«
    Â»Nehmen wir an, du hättest kein Lexikon, würdest aber Vor- und Nachsilben und Wortstämme kennen. Genauso, wie du den Wert von Zahlen nicht kennst. Wie würdest du die Bedeutung eines Wortes herausfinden?«
    Â»Ich würde mir die einzelnen Teile ansehen.
Mono
ist eine Vorsilbe für ›einzeln‹ aus dem griechischen Wort
monos.
Und
chroma
heißt ›Farbe‹, ebenfalls aus dem Griechischen. Dann setzt man alle Teile zusammen und hat die Bedeutung.«
    Â»Genau! Mit Algebra geht es genauso, Matt. Man fügt all die Teile zusammen und erhält die Bedeutung. was in diesem Fall kein Wort, sondern eine Zahl ergibt. Du kombinierst die Bekannten mit den Unbekannten, die Zahlen mit den Xen und Ypsilons, Schritt für Schritt, bis du alle Werte rausgekriegt hast. Dann addierst oder subtrahierst du sie oder machst, was die Gleichung von dir fordert, und dann hast du dein Ergebnis, die
Bedeutung.«
    Er schrieb eine andere Gleichung auf, und ich begann zu verstehen, was er meinte. »Lös sie«, forderte er mich auf und reichte mir den Stock. Bei der ersten tat ich mich noch ein bißchen schwer, und er mußte mir helfen, aber nachdem er drei weitere aufgeschrieben hatte, hatte ich den Dreh soweit raus, daß ich am Abend nicht mehr so völlig hilflos vor meinen Aufgaben saß.
    Â»Bleib einfach dran. Du schaffst das schon«, sagte er. »Da bin ich sicher.«
    Ich schüttelte den Kopf, dachte ans Barnard und wie gern ich dorthin gehen wollte. »Ich weiß nicht, warum ich das tun soll«, erwiderte ich. »Es ist doch ohnehin sinnlos.«
    Â»Sag das nicht, Matt. Hast du deine Tante gefragt. Hat sie dir was gegeben?«
    Â»Eine Standpauke.«
    Â»Hast du’s deinem Pa schon gesagt?«
    Â»Nein.«
    Â»Warum denn nicht? Vielleicht läßt er dich ja gehen. Vielleicht hilft er dir sogar.«
    Â»Nie und nimmer, Weaver.«
    Â»Vielleicht kannst du Geld verdienen, wenn du den Sommer über Beeren pflückst.«
    Ich dachte an die vielen Kübel Beeren, die ich pflücken müßte, und seufzte.
    Dann machten wir uns weiter auf den Heimweg. Die Hälfte der Strecke bis Eagle Bay hatten wir schon hinter uns. Meine Schwestern waren ein gutes Stück vor uns und gingen mit den Higby-Mädchen. Die Loomis-Jungs waren noch weiter vor uns und kickten mit Ralph Simms und Mike Bouchard eine Blechdose. Die Hubbard-Kinder waren hinter uns. Miss Wilcox ließ sie manchmal nachsitzen. »Wegen Fördermaßnahmen«, sagte sie immer. Weaver und ich blieben nach dem Unterricht oft noch in der Schule, um mit ihr zu lernen, und wußten deshalb, daß sie ihnen Sandwiches gab. Jim und Will wußten das aber nicht, weil sie nie

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