Das Licht des Nordens
ich das bloà geträumt? Plötzlich wünschte ich mir, ich wäre so hübsch wie Martha Miller, damit er mich eines Tages wieder küÃte. Und dann fragte ich mich, ob er mich überhaupt vermissen würde, wenn ich aufs College ging. Und ob er mir vielleicht schreiben würde, damit ich ihm antworten konnte.
Während ich weiter vor mich hin träumte, stieg seine Mutter wieder auf den Wagen und machte es sich bequem. Mr. Denio plauderte noch ein paar Minuten mit ihnen, dann fuhr er das Dock hinunter, um Gäste abzuholen. Sobald er fort war, holte Mrs. Loomis das Geld aus der Tasche, das sie von Mr. Eckler bekommen hatte, und reichte es Royal. Sie sagte etwas zu ihm. er nickte und steckte die Dollarnote in seine Tasche. Dann drehte sie den Kopf, sah sich um und merkte. daà ich sie beobachtete. Ihre Augen verwandelten sich in schmale Schlitze, und wenn Augen sprechen könnten, hätten sie gesagt: »Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten, Mattie Gokey.« Ich fand das sehr seltsam, weil es mich nicht die Bohne interessierte, was Mrs. Loomis mit ihrem Eiergeld machte.
Ich sah ihnen nach, wie sie den Weg entlang und über die Bahngleise fuhren, dann reichte mir Beth das Wechselgeld, und wir sprangen vom Boot aufs Dock hinunter.
»Sag deinem Pa, daà ich seinen Speck wahrscheinlich morgen kriege, Mattie.«
»Ja, Mr. Eckler. Danke.«
Wir stiegen auf unseren Pritschenwagen, ich befahl Pleasant, loszugehen, aber er rührte sich natürlich erst, nachdem ich es ihm fünfmal befohlen und ihm schlieÃlich mit den Zügeln ordentlich eins überzogen hatte. Die Heimfahrt verlief ohne weitere Ereignisse. doch als ich mit dem Wagen in unsere Einfahrt einbog, erwartete mich eine ziemliche Ãberraschung. Ein Auto stand dort. Ein Ford. Ich wuÃte, wem er gehörte. Ich lenkte Pleasant darum herum, brachte den Pritschenwagen in die Scheune und Pleasant auf die Weide. dann ging ich hinein. Als ich die Küchentür öffnete, sah ich Lou und Abby, die Ohren an die Wand gedrückt, auf der Treppe sitzen.
»Was ist los?« fragte ich.
»Miss Wilcox ist mit Pa im Wohnzimmer«, flüsterte Abby. »Sie hat deine Prüfungsergebnisse mitgebracht. Du hast eine Eins plus in englischer Literatur und Aufsatz, eine Eins in Geschichte, eine Zwei in Physik und eine Zwei minus in Mathematik. Sie und Pa reden über dich. Sie sagt, du seist sehr begabt und solltest aufs College gehen, und daà Pa dich gehen lassen soll.«
»Mein Gott, Matt, ich hab gar nicht gewuÃt, daà du so schlau bist. Das hast du ja geschickt verborgen.«
Die Zweischneidigkeit von Lous Kompliment entging mir in dem Moment vollkommen, denn mir war das Herz inzwischen noch weiter als in die Hose gerutscht. Miss Wilcox meinte es gut, das war mir klar. aber ich kannte Pa. Sie würde ihn nie dazu bringen. ja zu sagen, sondern ihn nur reizen. Warum, warum nur, war sie gerade heute gekommen? Kurz bevor mein Onkel mir das Geld geben würde? Morgen würde ich Pas Einverständnis nicht brauchen, weil ich dreiÃig Dollar in der Tasche hätte, ohne daà er in der Zwischenzeit wütend auf mich wäre.
Unterhalb von Abby setzte ich mich neben Lou auf die Treppe. Beth saà unter uns und verteilte SüÃigkeiten, als wären wir Zuschauer bei einem Theaterstück. Ich hatte im Moment allerdings keinen Appetit darauf. sondern strengte mich an, mitzukriegen, was drinnen gesagt wurde.
»⦠sie ist begabt, Mr. Gokey. Sie verfügt über einen einzigartigen Stil. Den Stil einer Künstlerin. Und sie könnte mehr aus sich machen, viel mehr, wenn man sie lieÃe â¦Â«
»Sie braucht nicht mehr aus sich zu machen. Sie ist ganz in Ordnung, wie sie ist. An ihr fehlt gar nichts.«
»Sie könnte Schriftstellerin werden, Sir. Noch dazu eine gute.«
»Das ist sie schon. Sie schreibt ständig Geschichten und Gedichte in ihre Hefte.«
»Aber sie braucht eine richtige Ausbildung im College und die Führung durch talentierte Lehrer, um weiterzukommen. Sie muà sich mit anderen Talenten messen, muà sich Kritik und Theorie stellen. Sie muà bei Leuten sein, die sie fördern und sie bei ihrer Entwicklung unterstützen.«
Darauf folgte Schweigen. Während ich auf der Treppe saÃ, konnte ich mir das Gesicht meines Vaters vorstellen. Ãrger würde sich darin zeigen, wie so oft. aber dahinter käme auch Unsicherheit zum
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