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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Vorschein und die qualvolle Schüchternheit, die er in Gegenwart gebildeter Leute und ihrer hochtrabenden Sprache empfindet. Plötzlich kippte meine Stimmung, und ich wollte Miss Wilcox am Arm packen, aus dem Wohnzimmer zerren und ihr sagen, sie solle meinen Pa in Ruhe lassen.
    Â»Sie möchte aufs College, Mr. Gokey. Unbedingt«, sagte Miss Wilcox.
    Â»Das is’ allein Ihre Schuld, Ma’am. Sie haben ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt. Ich hab das Geld nicht. um sie dorthin zu schicken. Und selbst wenn ich’s hätte, warum sollte ich mein Mädchen irgendwohin schicken, wo sie keinen kennt? Fort von ihrem Zuhause und ihrer Familie, wo sich niemand um sie kümmert?«
    Â»Sie ist eine vernünftige junge Frau. Sie würde in New York ausgezeichnet zurechtkommen. Davon bin ich überzeugt.«
    Â»Sie hat einen unbeständigen, flatterhaften Zug an sich. Den hat sie von ihrer Mama. Die war auch flatterhaft.«
    Â»Diesen Endruck hat Mrs. Gokey nie auf mich gemacht.«
    Â»Das war sie aber. Als sie jünger war. In Matties Alter. Darum hat se mich geheiratet. Darum hat sie zwanzig Hektar Baumstümpfe und Felsbrocken gekriegt und einen Grabstein mit siebenunddreißig.«
    Â»Ganz bestimmt nicht, Mr. Gokey. Ich habe Ihre Frau nur zwei- oder dreimal besucht, aber meinem Eindruck nach war sie eine Frau, die liebte …«
    Â»Ihrem
Eindruck nach?«
    OGott,
dachte ich. Fast wäre ich aufgesprungen, machte mir dann aber klar, daß er wohl kaum seinen Flößerhaken bei sich hatte. Nicht im Wohnzimmer.
    Â»Menschen sind keine Bücher, Miss Wilcox. Ihr Inneres liegt nicht sauber abgetippt vor Ihnen, damit Sie es lesen können. Also, wenn Sie jetzt fertig sind. Ma’am, ich muß noch raus zum Pflügen.«
    Wieder folgte Schweigen, dann sagte sie: »Das bin ich. Auf Wiedersehen, Mr. Gokey. Danke für die Zeit. die Sie sich genommen haben.«
    Ich hörte Miss Wilcox’ energische Schritte im Gang. dann war sie fort. Sie war die Art Frau, die durch die Vordertür ein und aus ging, nicht durch den Hintereingang.
    Â»O Mattie, geh nicht! Du gehst doch nicht, oder. Ich würde dich so vermissen«, jammerte Beth. Sie legte mir die Arme um den Hals und küßte mich mit ihren von den Bonbons klebrigen Lippen.
    Â»Pst, Beth. Sei nicht so eigensüchtig«, sagte Abby tadelnd.
    Dann war Pa plötzlich in der Küche. Wir alle sprangen auf. »Ihr seid wohl zufällig alle vier gerade die Treppe runtergekommen«, sagte er. »Und habt auch keine Unterhaltung belauscht, die euch nichts angeht?« Niemand antwortete. »Abby, hast du die Butter schon gesalzen? Lou, hast du den Stall ausgemistet. Beth, sind die Hühner schon gefüttert?«
    Meine Schwestern stoben davon. Pa sah mich an. »Selbst hast du es mir wohl nicht sagen können?« fragte er.
    Seine Augen waren hart, seine Stimme ebenso, und all die liebevollen Gefühle, die ich noch kurz zuvor für ihn empfunden hatte, verschwanden so schnell wie Schmutzwasser im Ausguß.
    Â»Wozu denn, Pa. Damit du nein hättest sagen können?«
    Er sah mich verständnislos an, sein Blick wirkte verletzt. Einen Moment lang dachte ich, er wolle etwas Liebevolles zu mir sagen, aber nichts geschah. »Dann geh doch, Mattie. Ich werd dich nicht aufhalten. Aber wenn du das tust, komm nicht mehr zurück.« Dann ging er aus der Küche und schlug die Tür hinter sich zu.

Ma• kro • lo • gisch
    Â»Makrologisch ist ein komisches Wort, Daisy«, flüsterte ich der Kuh zu. »Darunter versteht man die Neigung, lange Wörter zu benutzen. Allerdings ist es selbst ein langes Wort und bezichtigt andere, das zu sein, was es selbst ist. Es ist eindeutig ein Heuchler. Daisy, aber ich mag es trotzdem. Und wenn ich in New York bin, werde ich es sicher ein-, zweimal in eine Unterhaltung einfließen lassen.«
    Daisy käute ihr Futter wieder. Falls sie eine Meinung zu meinem Wort des Tages hatte, behielt sie sie für sich. Meine Wange war an ihren warmen Bauch gedrückt, meine Hände drückten Milch aus ihrem Euter, und ich verriet ihr flüsternd all meine Geheimnisse. Ich hatte ihr alles über Onkel Fifty erzählt, daß er jetzt jeden Moment aus Old Forge zurückkommen und mir das Geld mitbringen würde, das ich brauchte. um ans Barnard zu gehen.
    Es war fast Ende April, zwölf unserer zwanzig Kühe hatten gekalbt, und wir ertranken in Milch.

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