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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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behalten, sagte Pa. Ich erklärte ihm, daß ich zwei behalten wolle, sonst würde ich nicht gehen. »Du weißt, daß ich mit Royal Loomis verlobt bin«, sagte ich. »Also werde ich selbst bald ein paar Dollar brauchen.« Drei Dollar hatte ich von Miss Wilcox, plus die fünfundzwanzig Cent, die mir vom Verkauf der Farnsprossen geblieben waren, aber ich brauchte mehr. Einen Hausstand zu gründen, ist eine kostspielige Sache. Pa zwinkerte mir zu, aber ich zwinkerte nicht zurück. Ich zählte darauf, daß er noch immer Schuldgefühle hatte, weil er mich geschlagen hatte, und keine Einwände machen würde, womit ich recht behielt. So hat fast alles, was einem widerfährt. eine positive Seite, selbst dann, wenn sie nicht auf Anhieb zu erkennen ist.
    Pa ging sofort nach Inlet, nachdem ich Pleasant gefunden hatte, und hinterließ bei O’Hara’s eine Nachricht für Bert Brown, daß er ihn abholen solle. Es war erst Ende Mai, aber die Tage konnten sehr warm werden. Bert Brown holte totes Vieh ab und verarbeitete es weiter. Er bezahlte zwar nichts dafür, ersparte es einem jedoch, eine Grube auszuheben. Ich war sicher. daß einem von der Seife, die aus Pleasant gemacht wurde, die Haut abging, und daß der Leim aus seinen Knochen härter als Stahl war.
Ikosaedrisch
hieß mein Wort des Tages, was zwanzigseitig bedeutet. Es ist natürlich ein nahezu nutzloses Wort, außer man will etwas beschreiben, das zwanzig Seiten hat. Dann ist es perfekt. Für Pleasant war es ein sehr passendes Wort, der sich meist störrisch zeigte und biß und ausschlug, mich aber durch seinen Tod immerhin ins Glenmore brachte, was ich selbst nicht geschafft hatte.
    Pa bog von der Big Moose Road ab und fuhr dann rechts in die Einfahrt des Glenmore hinein. Jetzt konnte ich das Hotel hoch aufragen sehen. Drei wunderschön gekleidete Damen mit Sonnenschirm schlenderten zum Dock hinunter. Vor dem Hotel stieg eine Familie aus einer offenen Kutsche und spazierte über den Rasen. Ihr Dienstmädchen blieb zurück und zählte die Gepäckstücke, die abgeladen wurden. Plötzlich wollte ich meinen Vater bitten, umzukehren. Ich wußte nichts über feine Leute und hatte keine Ahnung, wie man sich ihnen gegenüber benahm. Was, wenn ich jemandem Suppe in den Schoß schüttete? Oder redete, bevor ich angesprochen wurde? Oder Wein ins Wasserglas goß? Aber Pa brauchte das neue Muli so dringend, also sagte ich nichts.
    Â»Kann Abby mit dem Ofen umgehen?« fragte er mich, als Licorice, das neue Muli, den Wagen zum Hintereingang des Glenmore zog.
    Â»Ja, Pa. Besser als ich.« Abby würde sich um alle kümmern und auch die Mahlzeiten zubereiten.
    Â»Ich hab mit Mr. Sperry gesprochen. Du wirst im Speisesaal bedienen, in der Küche helfen und die Zimmer putzen, aber ich möchte nicht, daß du auch nur in die Nähe der Bar kommst, verstanden? Und du hältst dich auch vom Tanzpavillon fern.«
    Â»Ja, Pa.« Was glaubte er wohl? Daß ich mir ein paar Drinks hinter die Binde goß und ab und zu eine kesse Sohle aufs Parkett legte?
    Â»Falls irgendwas passiert und du heimkommen willst, gib Bescheid. Geh auf keinen Fall zu Fuß mit dieser Tasche. Ich komm und hol dich. Oder Royal. Einer von uns kommt dann.«
    Â»Mir wird’s schon gut gehen, Pa. Wirklich.«
    Ich stieg aus, mein Vater ebenfalls. Er hob meine Tasche herunter, begleitete mich zur Küchentür und spähte hinein. Ich wartete, daß er mir meine Tasche gab, aber er hielt sie fest an sich gedrückt. »Also, gehst du rein oder nicht?« fragte er.
    Â»Ich brauch meine Tasche, Pa.«
    Als er sie mir reichte, sah ich, daß er sie so fest gehalten hatte, daß seine Knöchel weiß hervortraten. Wir hatten es nicht so mit Küssen, mein Pa und ich. doch ich wünschte mir, daß er mich zum Abschied wenigstens umarmen würde. Aber er blieb einfach stehen, spuckte aus und sagte, ich solle auf mich aufpassen, dann fuhr er mit dem Wagen davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Wider • spenstig
    Ich räumte gerade den Tisch ab, als ich es sah. Ein Zehn-Cent-Stück. Es lag gleich neben der Zuckerschale. Ich lief der Frau nach, die es vergessen hatte.
    Â»Ma’am? Entschuldigen Sie, Ma’am!« rief ich.
    Sie blieb in der Tür stehen.
    Â»Das haben Sie vergessen, Ma’am«, sagte ich und hielt ihr die Münze hin.
    Sie lächelte und schüttelte

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