Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
1906
    Liebes Kind,
    natürlich war es schön, Deinen Brief zu bekommen, trotzdem fühlte ich mich schlecht, weil ich die ganze Woche nicht geschrieben habe. Mittwoch und Donnerstag mußte ich die Lohnabrechnung machen, und am Freitag kam ein Freund, der über Nacht blieb. Am Samstag fuhr ich zum See hinauf und habe mir einen so schlimmen Sonnenbrand geholt, daß ich weder Kragen noch Jackett tragen kann. Wir fuhren im Kanu hinaus und anschließend noch zu zwei anderen Seen, und obwohl das Kanu schwer zu tragen war, hatten wir großen Spaß . Was meine Pläne für den Vierten betrifft, so ist noch nichts festgelegt, da die beiden einzigen Mädchen, die mitkommen könnten, schon andere Verpflichtungen haben, nachdem ich sie erst am Samstag gefragt habe .
    Jetzt verstehe ich, warum Grace in allen ihren Briefen so besorgt klang. Es gab andere Mädchen. Sie war nicht die einzige. Es gab andere Mädchen, mit denen er möglicherweise lieber zusammen war als mit ihr. Mein Gott, in welchem Schlamassel sie steckte. Chester hatte sie zu ihrer Familie nach Hause geschickt. statt sie zu heiraten. Sie mußte ihn anflehen, sie zu holen, ihr zu schreiben, und wenn er ihr antwortete, erzählte er ihr von anderen Mädchen, die er ausführte.
    Und beim Essen hatte er auch noch wegen einer Kapelle mit ihr gestritten.
    Welche Angst sie ausgestanden haben mußte, so ganz allein mit ihrem schrecklichen Geheimnis, immer hoffend und wartend, wann er wohl käme. Mir fällt wieder ein, wie eindringlich Pa mich vor den Männern gewarnt hatte, daß sie immer nur das eine wollten, und ich erschaudere bei dem Gedanken, was mit mir geschehen würde, wenn ich ein Baby bekäme, bevor ich einen Ehemann gefunden hätte. Aber dann tröste ich mich damit, daß Chester schließlich doch noch ehrenhaft gehandelt hat. Er hatte sie geholt und war mit ihr in die North Woods durchgebrannt. Selbst wenn sie über die Kapelle gestritten hatten. Warum sonst hätte er sie herbringen sollen, wenn nicht, um sie zu heiraten?
    Ich bin total verwirrt und weiß nicht, was ich denken soll. Ich komme mir vor wie der kleine Federball. den die Gäste beim Badminton-Spiel von einer Seite zur anderen schlagen.
    Es gibt noch einen weiteren Brief von Chester, der in dem Stapel falsch eingeordnet ist und ein früheres Datum trägt als der vorhergehende. Vielleicht erfahre ich daraus, was ich wissen will.
    25. Juni 1906
    Liebe Grace,
    â€¦ Zu dritt fuhren wir zum See hinauf und kampierten in einem kleinen Haus, das einem meiner Freunde gehört. Wir hatten eine tolle Zeit, obwohl keine Mädchen dabei waren. Nachmittags gingen wir schwimmen, und das Wasser war herrlich. Am Abend fuhr ich im Kanu hinaus und wünschte, Du wärst bei mir gewesen
…
    Ich halte inne. Mir fällt auf, daß Chesters tolle Zeiten immer an einem See stattfanden, in einem Kanu.
    Heute vormittag, als die Männer Grace’ Leiche hereinbrachten, glaubten wir alle, daß ihr Begleiter Carl Grahm ebenfalls ertrunken sei und daß es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis auch seine Leiche gefunden würde.
    Aber es gab keinen Carl Grahm. Nirgendwo konnte ich etwas über ihn finden. Es gab nur Chester Gillette. Und der konnte mit einem Boot umgehen. Und schwimmen.
    Jetzt hast du deine Antwort, oder?
sage ich mir.
Das ist der Lohn für deine Schnüffelei.
    Aber meine innere Stimme läßt nicht locker, sondern drängt mich, nach einem weiteren Brief zu greifen und dann nach noch einem, weil sie verzweifelt nach einer anderen Antwort sucht.
    Und mir wird schlecht, so schlecht, daß ich mich übergeben könnte.
    Weil ich zu wissen glaube, warum Chester Grace hierher gebracht hat.
    Jedenfalls nicht, um mit ihr durchzubrennen.

Iko• sae • drisch
    Â»Und geh nie allein mit einem fremden Mann in ein Zimmer …«
    Â»Ja, Pa.«
    Â»â€¦ ganz egal, aus welchem Grund. Selbst wenn er dir sagt, du sollst ihm bloß ein Handtuch bringen. Oder eine Tasse Tee.«
    Â»Bestimmt nicht, Pa.«
    Â»Und du nimmst dich auch vor den andern Kerlen in acht. Vor Arbeitern und Barkeepern und dergleichen.«
    Â»Mir passiert schon nichts, Pa. Die Morrisons führen ein anständiges Haus.«
    Â»Das kann schon sein, aber jeder hergelaufene Kerl mit ein paar Dollars in der Tasche kann sich in einem feinen Hotel einquartieren. Es ist nicht alles so, wie’s scheint, Mattie. Vergiß das nicht.

Weitere Kostenlose Bücher