Das Licht des Nordens
Sie leben!«
Ich lebe in den North Woods,
dachte ich.
Die Adirondacks
war eine Bezeichnung, die in Reisebroschüren verwendet wurde, um Sommergäste anzulocken. Das klang hübsch und war ziemlich schlau. genau wie die aufgeputzten Köder zum Fliegenfischen, die Charlie Eckler an Touristen verkaufte. Diejenigen, die ein Führer nicht mal mit spitzen Fingern anfassen würde.
»Also, sagen Sie mir«, fuhr die Frau fort, »wo kann man hier Indianer finden?«
Ich räusperte mich nervös, weil ich nicht noch mal was Blödes sagen und erneut ausgelacht werden wollte. »Nun, Maâam, es gibt die Traversys. Und die Dennises. Das sind Abenakis, wurde mir gesagt. Sie flechten Graskörbe und verkaufen sie in Eagle Bay. An der Bahnstation â¦Â«
Die Frau rümpfte die Nase. »Das sind doch keine richtigen Indianer. Ich möchte echte sehen. Den edlen Wilden in unberührter Natur. Den Primitiven in all seiner Herrlichkeit.«
»Tut mir leid, Maâam, ich weià nicht â¦Â«, begann ich schrecklich verlegen.
Plötzlich stand Weaver am Tisch und füllte die Wassergläser nach. Ich hatte keine Ahnung, wie er hergekommen war und wünschte ihn zum Teufel. Er hatte wieder diesen bestimmten Ausdruck in den Augen. der mir nur allzu vertraut war.
»Dann müssen Sie Mose LaVoie sehen, Maâam«, sagte er. »Er ist ein reinblütiger Saint Regis. Er lebt oben hinter der Big Moose Station. In einem Tipi im Wald.«
Mir fiel die Kinnlade herunter.
»Na siehst du, Maudsy!« sagte der Herr.
»Wie aufregend!« rief die Frau aus. »Wie erkenne ich ihn denn?«
»Er ist kaum zu übersehen, Maâam, weil er mit einer Hirschhaut bekleidet ist. Aber nur, wennâs kalt ist. Um diese Jahreszeit trägt er nur ein Lendentuch. Und ein Halsband aus Bärenklauen. Und Federn im Haar. Gehen Sie einfach ins Summit-Hotel rauf und fragen Sie nach Injun Mose.«
Mir blieb fast die Luft weg. Mose LaVoie war zwar ein Indianer, lebte aber keineswegs in einem Tipi sondern in einem Blockhaus und trug Hemd, Hose und Hosenträger wie jeder andere Mann. Wenn er einen kannte, verhielt er sich ganz manierlich, doch wenn er trank, konnte er ziemlich in Rage kommen und sogar auf eine Lokomotive losgehen, wenn er den Eindruck hatte, sie hätte ihn scheel angesehen. Mehr als einmal hat er die Fenster des Summit eingeschlagen, und sicherlich würde er jedem arglosen Touristen den Kopf abreiÃen, der ihn Injun Mose statt Mr. LaVoie nannte.
»Eine echte Rothaut! Stellt euch vor! Er wäre der richtige Führer für das echte Ho De Ron Dah!«
Weaver grinste von einem Ohr zum anderen. »Ja. Maâam, das wäre er ganz sicher.«
Am Tisch, wo der Kaffee ausgegeben wurde, holte ich ihn ein. »Du hast bald vier Morde auf dem Gewissen, Weaver Smith. Ich hoffe, daà dir das nichts ausmacht.«
»Sie sollten dich nicht auslachen«, antwortete er. »Und mich nicht als farbig bezeichnen.«
»O Weaver, das haben sie doch gar nicht getan.« Er haÃte es, so genannt zu werden. Er sagte, er sei ein Mensch, kein Osterei.
»Doch, haben sie wohl. Gestern abend, als sie ankamen, und dann noch einmal beim Frühstück. Hast du je Mose LaVoie gesehen, wenn er wütend ist?«
»Nur von weitem.«
»Ich auch. Und ich schätze, in dieser Hinsicht stehen wir einander in nichts nach.«
Tisch sieben war schlimm, aber Tisch sechs war der schlimmste von allen. Der wirklich allerschlimmste. Dort saà ein einzelner Mann. Ein Mr. Maxwell. Er war klein und schmächtig. Fast kahl. Und schwitzte. obwohl es nicht besonders warm war. Von Männern, die schwitzen, wenn es nicht warm ist, muà man sich immer fernhalten. Mit gebeugtem Kopf las er die Speisekarte, schielte herum und wischte sich mit dem Taschentuch ständig die Stirn ab.
»Ich fürchte, ich habe meine Brille im Zimmer vergessen«, sagte er schlieÃlich. »Hätten Sie die Freundlichkeit, mir die Vorspeisen vorzulesen?« Seine Augen muÃten wohl sehr schlecht sein, dachte ich. denn er sah mir beim Sprechen auf den Busen statt ins Gesicht.
»Aber gern«, antwortete ich unbefangen. Ich beugte mich über ihn und begann, vorzulesen. »Gebackener Schinken, gebratenes Frühlingshuhn, gekochte Zunge â¦Â«
Gerade, als ich bei Kalb in Aspik angekommen war. nahm er seine Serviette vom SchoÃ. Darunter kam etwas hervor, das wie ein
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