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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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sie auf die schimmernden Waffen der Wache zurück.
    Dawn führte sie durch das riesige Gelände, wo junge Pflanzen sich an Spalieren und Pfosten emporrankten.
    Große Blumenbeete hier und da ließen den Garten wie eine bunte Decke wirken. Mehrere Helfer und Helferinnen kümmerten sich um die Pflanzen.
    Dawn erklärte, dass der Tempel Gemüse anbaute und Schafe, Hühner und Gänse hielt, um seine Leute zu versorgen. Ein Weinberg und eine Molkerei gab es ebenfalls auf dem Gelände. »Komm weiter.« Dawn setzte sich wieder in Bewegung.
    Während Bryn sich bemühte, mit ihr Schritt zu halten, fragte sie: »Du hast doch gesagt, Jacinta ist von der Taube erwählt. Warum ist sie dann nicht bei den Federn?«
    Dawn schnaubte und machte eine abfällige Bewegung mit ihrer schlanken Hand. »Jacinta ist die Tochter eines armen Schneiders. Die Federn nennen sie ›Täubchen‹, wenn sie an ihr vorbeigehen und gurren gemein. Du musst mehr zu bieten haben, als von einem Vogel erwählt zu sein – du brauchst eine reiche Familie. Clea ist allerdings die Erste, die sie akzeptiert haben, bevor sie von einem Vogel erwählt wurde.«
    »Woher weiß Clea denn, dass sie von einem Geier erwählt wird?«, fragte Bryn.
    Dawn zuckte mit den Schultern. »Es gibt immer wieder welche, die behaupten, sie wussten bereits, welcher Vogel sie erwählen würde, aber die meisten sind klug genug, den Mund zu halten. Es gibt nichts Demütigenderes, als zu behaupten, ein bestimmter Vogel würde dich erwählen und dann von einem ganz anderen oder überhaupt keinem erwählt zu werden.« Dawn blickte Bryn mit ihren erstaunlich blauen Augen an, die von ihrem schwarzen Haar noch betont wurden. »Ich habe immer den Reiher bewundert, aber wenn man über sechzehn ist, wird man nur noch selten erwählt. Ich bin fast achtzehn und dieses Jahr ist meine letzte Chance.«
    Bryn fand, dass der Reiher wunderbar zu Dawn passte, und wünschte sich, dieser elegante Vogel würde Bryn erwählen.
    Hühner gackerten, als sie sich dem großen Stallgebäude näherten. Da bog ein großer, wie ein Wolf aussehender Hund um die Ecke des Stalls und Dawn sprang zurück. Doch Bryn ging neben dem Hund in die Hocke und streichelte sein schwarzweiß geflecktes Fell. Er blickte sie mit verschiedenfarbigen Augen an, einem bläulich weißen und einem fast gelben, dann legte er ihr eine schmutzige Pfote auf die Schulter.
    »Du wirst dein Gewand wohl waschen müssen«, sagte Dawn, die sich etwas zurückgezogen hatte. »Bei Fremden ist Jack normalerweise nicht so freundlich.«
    »Jack?« Bryn war fasziniert davon, wie intelligent der Hund aussah. »Hallo, Jack!«
    Der Hund bellte ihr leise zu, tapste ihr sanft mit der Pfote auf die Schulter und lächelte sie auf eigenartig menschliche Weise an.
    In dem Moment kam ein junger Mann hinter dem Stall zum Vorschein. Er war etwas größer als Dawn und hatte struppiges, rötliches Haar. Sein Gesicht war von Sommersprossen übersät. Bryn hatte das seltsame Gefühl, als sprächen er und der Hund schweigend miteinander. Über sie.
    »Kiran, das ist Bryn«, sagte Dawn, »eine neue Helferin. Ich bin ihre Duenna.«
    Jack nahm seine Pfote von ihrer Schulter und Bryn stand mit unordentlichem Gewand auf. Lange sah Kiran sie an.
    Dann murmelte er ein schroffes Hallo. Die Farbe seiner Augen passte gut zu seinen Haaren.
    »Hallo«, gab sie zurück, wobei sie sich ganz durcheinander fühlte, aber nicht wusste, warum.
    Kiran ging davon und pfiff nach seinem Hund. Jack verhielt kurz und leckte schnell Bryns Hand, bevor er dem hoch aufgeschossenen jungen Mann hinterherlief.
    Bryn drehte sich um und blickte ihnen nach. Dawn verließ nun den Fußweg und ging durch das Gras an einem Weidezaun entlang. Bryn trottete hinterher. Das lange Gras zupfte an ihrem Gewand. »Wer ist denn Kiran?«, fragte sie.
    »Er kommt aus dem Ostland. Der Meisterpriester hat ihn dort gefunden«, antwortete Dawn. »Er sondert sich ab, aber er ist gut mit Tieren. Alle sagen, dass er vom Schwan erwählt werden soll.«
    »Warum?«, fragte Bryn verwirrt.
    Dawn kletterte auf den Zaun, der eine Schar von Schafen von einer Herde Pferde trennte. »Die Feder eines Schwans steht für geistige Verständigung mit Tieren, aber erzähle niemand, dass ich das gesagt habe.«
    Bryn setzte sich neben sie und sah den herumgaloppierenden Junghengsten zu. »Warum?«
    Dawn runzelte die Stirn. »Wir sollen nicht über die Gaben der Vögel reden. Sie sind geheim.«
    »Die Gaben der Vögel?«
    »Ja, Gaben«, sagte Dawn

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