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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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wirkenden Mann in goldbesticktem Gewand, der eine Brille mit Kristallgläsern trug.
    Cleas schimmerndes Gewand unterstrich ihre elegante Verbeugung. Der Lehrer bedeutete ihr, sich in die erste Reihe zu setzen.
    Dawn trat vor und verbeugte sich: Die Duenna stellt dem Lehrer des Protokolls ihren Schützling vor. »Herr, dies ist Bryn Steinhauertochter. Bryn, dies ist Alamar, ein Priester des Orakels.«
    Bryn verbeugte sich. Als sie sich aufrichtete, war ihr schon klar, dass sie zu hastig gewesen war, nicht genügend Respekt gezeigt hatte.
    Alamars Gesicht blieb ausdruckslos. »Setze dich in die zehnte Reihe neben Willow«, sagte er.
    Dawn wirkte verärgert. Sie führte Bryn zu einem Stuhl und ging dann zu ihrem eigenen Platz ein paar Reihen entfernt. Willow, ein Mädchen ungefähr in Bryns Alter mit dunklem Teint und sanften Augen, lächelte ihr schüchtern zu, aber Bryns Wangen brannten. Es schien, als ob sie hier im Tempel nicht einen Schritt machen konnte, ohne über ihre Unwissenheit zu stolpern.
    Sie blickte sich um und fühlte sich klein. Allein schon die Fenster an der Vorderseite des Raums waren höher als die Bäckerei in Uste. Kronleuchter aus Kristall hingen von der Decke – nicht angezündet, da die Sonne schien –
    und Bryn konnte keine einzige Spinnwebe oder auch nur ein Staubkorn auf ihnen entdecken.
    Die gestuften Stuhlreihen für die Schüler waren kreisförmig angeordnet und zeigten nach vorne, wo Alamar stand. »Heute wollen wir mit den Gesten anfangen, die Respekt oder Verachtung während der Verbeugung ausdrücken«, kündigte er an.
    Bryn blinzelte. Hatte sie ihn richtig verstanden?
    »Ich brauche zwei Schüler, die diese Verbeugungen vormachen.« Er suchte den Raum ab. »Kiran«, rief er dann.
    Kiran erhob sich von einem Stuhl weiter hinten. Sein Helfergewand war noch schäbiger als Bryns – die Manschetten waren ausgefranst, der Kragen hing herab und beide Ärmel waren verfärbt. Während er nach vorne ging, ballten sich seine großen Hände zu Fäusten.
    »Und unsere neue Helferin, Clea Errington«, sagte Alamar.
    Clea glitt aus ihrer Stuhlreihe und trat zu Kiran und Alamar. Alles an ihr schien zu leuchten: das helle Haar, das Seidengewand und die schimmernden Schuhe. Sie verbeugte sich vor dem Lehrer – Bryn kannte diese Verbeugungsart nicht, wusste aber sofort, dass sie so erwartet wurde – und vor Kiran. Gedämpftes Lachen ging durch den Raum. Kirans Miene verdüsterte sich und seine Sommersprossen stachen hervor wie verbrannte Krümel.
    »Sehr geschickt«, sagte Alamar. »Wer kann mir sagen, was Cleas Verbeugung vor Kiran zum Ausdruck gebracht hat?« Er deutete auf Eloise.
    Sie stand auf. »Dass er ihr vielleicht gleichgestellt wäre, wenn er ein neues Gewand trüge.«
    »In der Tat«, antwortete Alamar. »Kiran musste allerdings sehr viel mehr tun, um der jungen Dame gleichgestellt zu sein.« Bryn drehte sich der Magen um, als sie sah, wie sich Clea in Positur warf. »Und jetzt möchte ich von der Klasse wissen, was diese Verbeugung bedeutet.«
    Alamar verbeugte sich vor Kiran, und als er sich wieder aufrichtete, schwenkte er seine rechte Hand so, dass die Handfläche nach hinten und der Zeigefinger nach oben zeigte. Gleichzeitig hob er den rechten Fuß, sodass er leicht über den Boden schleifte.
    Dieses Mal rief er einen der Jungen auf. »Gridley.«
    Bryn konnte nur Gridleys Hinterkopf sehen. Sein gepflegtes Haar reichte bis in den Nacken, das kostbare Gewand fiel weich über seine Schultern, als er aufstand.
    »Sie sagen, Kiran stapft durch den Mist, weil er nicht lernen kann, sich zivilisiert zu benehmen«, antwortete er mit kräftiger Stimme, wobei er jede Silbe betonte.
    Bryn hörte es kichern.
    Alamar hob die Hand und das Kichern erstarb. »Nicht ganz, Gridley. Ich habe gesagt, Kiran kümmert sich nicht um die Zivilisation, was ihn dicht am Mist bleiben lässt.«
    Lautes Gelächter. Voller Mitgefühl für Kiran krallte Bryn ihre Finger über der Brust in den Stoff ihres Gewands. Was würde er machen? Was konnte er sagen?
    Kiran hob beide Hände über den Kopf, als würde er etwas von oben empfangen. Darauf verbeugte er sich schnell, wobei sich seine Fäuste vor der Brust berührten.
    Dann öffnete er die Hände, als schmisse er etwas zu Boden. Beim Aufrichten stampfte er laut mit dem Fuß auf.
    Zum Abschluss deutete er mit einer Hand auf Alamar, wobei seine Handfläche nach oben zeigte.
    Alamar starrte Kiran an und es wurde still. »Verlasse sofort den Raum!«, sagte er. »Ich

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