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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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werde mich mit dem Meisterpriester wegen einer Strafe für dich beraten.«
    Mit zerzausten Haaren, aber hoch erhobenen Hauptes verließ Kiran den Raum.
     
    Als Dawn mit Bryn aus dem Unterrichtsgebäude in das helle Licht des Nachmittags trat, war Bryn so froh, wieder im Freien zu sein, dass sie fast wie eine Verrückte losgerannt wäre.
    »Ich werde nie verstehen, worüber Ishaan gesprochen hat.« Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand mit einem schweren Hammer Zahlen in den Schädel geschlagen.
    Voller Achtung blickte sie zu Dawn auf. »Wie schaffst du es, das alles zu verstehen?«
    »Nach meinem ersten Tag hier wollte ich nach Hause gehen und niemals wiederkommen«, antwortete Dawn verständnisvoll. »Wenn mir Ishaan damals gesagt hätte, ich würde einmal die Beste der Klasse in Mathematik sein, hätte ich ihm meine Rechentafel an den Kopf geschmissen und ihn einen Lügner genannt – aber natürlich würde ich einen Lehrer nicht beleidigen, nur Kiran traut sich so etwas.« Dawn ging so schnell, dass Bryn Mühe hatte mitzuhalten. »Versprichst du mir, niemals einen Lehrer zu beleidigen, Bryn?« Die Tür zu den Ställen stand offen, und Dawn ging, ohne auf eine Antwort zuwarten, hinein. »Kiran!«, rief sie.
    Bryn stand im großen Eingang des Stallgebäudes und sog den beruhigenden Geruch von Pferden und Heu ein.
    Sonnenstrahlen fielen durch Schlitze weit oben in den Wänden.
    »Hier oben«, hörten sie eine Stimme. Mit einer Heugabel in der Hand blickte Kiran vom Heuboden auf sie herunter. Er hatte sich umgezogen und trug nun Hemd und Hose statt des Schülergewands. Kräftige Unterarme ragten aus seinen hochgekrempelten Ärmeln. »Passt auf«, sagte er und stieß einen Heuballen auf den Lehmboden hinunter. Der landete mit einem dumpfen Aufschlag und Staubwolken stoben hoch, als er aufplatzte.
    »Hat der Sendral dir gesagt, dass Bryn mit dir arbeiten wird?«, rief Dawn zu ihm hoch.
    Kiran nickte. Er kletterte die Leiter hinunter und trat zu ihnen.
    »Gut, dann lasse ich dich jetzt hier. Wir sehen uns beim Abendessen, Bryn. Und am Abend helfe ich dir beim Lernen.« Dawn eilte davon.
    Bryn sah sich um und hoffte Jack zu sehen. Grundlos errötete sie. »Ist dein Hund da?«, fragte sie.
    »Der ist auf der anderen Seite vom See und erforscht die Gegend. Er mag es, ab und zu herumzustromern.«
    Kiran blickte sie mit derselben zermürbenden Freundlichkeit an wie beim letzen Mal. Bryn hatte das Gefühl, dass er genau wusste, was sie konnte und was nicht. Und sie hoffte, er würde nicht denken, dass sie mehr stören als helfen würde.
    Sie zeigte auf die Boxen, von denen die meisten leer waren. Die Pferde waren wohl draußen. »Was soll ich tun?«
    »Die Wassertröge müssen gefüllt und der Hafer verteilt werden.«
    Bryn nickte. »Ich bin froh, dass du dich gegen Alamar gewehrt hast«, sagte sie spontan.
    Er hob die zimtfarbenen Augenbrauen. »Nein, das war dumm von mir. Ich warte jeden Moment darauf, zum Meisterpriester vorgeladen zu werden.«
    »Was bedeutet die Verbeugung, die du gemacht hast?«
    Er blieb einen Moment lang still, und sie hatte schon Angst, ihn beleidigt zu haben, sodass er nicht antworten würde, aber dann sagte er: »Sie bedeutet, dass es zwar Weisheit in der Welt gibt, doch er habe keine, und dass das, was er unterrichtet, weniger wert ist als Mist.«
    »Das hast du alles mit einer Verbeugung gesagt?«, fragte Bryn mit großen Augen.
    »Ja.« Er verbeugte sich vor ihr mit einer Hand hinter dem Rücken, und beim Aufrichten hob er einen Fuß und setzte ihn leicht wieder auf den Boden, während er beide Arme in die Luft streckte. Zum Abschluss deutete er mit einer Hand auf sich und mit der anderen auf sie. »Willkommen in den Ställen, Bryn. Mögen wir beide klüger als Mist sein und nicht zu oft drin stecken bleiben.«
     
    Kiran sah Renchald, dem Meisterpriester, die unergründlichen grünen Augen und versuchte, nicht zu zeigen, wie unbehaglich er sich in dessen Räumlichkeiten fühlte. Von einem Wandteppich herab starrte ihn ein Geierfalke an.
    Links von ihm auf einem Podest stand ein Geier aus schwarzem Marmor. Der Tempel des Orakels, wo der Vogel der Verfluchungen gleich nach den Göttern kommt. Kiran wusste, dass der vom Geier erwählte Priester des Tempels ohne Nachfolger gestorben war. Wer spricht jetzt wohl die Verfluchungen des Meisterpriesters aus?, fragte er sich finster.
    Renchald forderte ihn nicht auf, sich zu setzen. Er selbst hingegen saß bewegungslos da und durchbohrte Kiran mit dem

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