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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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hier, um dem Orakel ihre Achtung zu erweisen«, sagte Alessandra und lächelte hoheitsvoll.
    Zorienne war viel zu blass und zu dünn, doch ihre Augen strahlten und ihre Verbeugung war anmutig. Auch ihr huldigte die Versammlung.
    Gleich hinter ihr erschien Raynor Errington. Wie ein Prinz in goldenes und purpurrotes Satin gekleidet, hielt er es nicht für nötig, auf das Zeichen der Königin zu warten.
    Schnell stieg er die Stufen hinauf. Sein Vater eilte ihm hinterher.
    Die Jubelrufe brachen fast sofort ab. Es wurde still.
    Sofort sprang der Meisterpriester ein. »Eure Anwesenheit ehrt uns sehr!«, sagte er und verbeugte sich überaus förmlich.
    Dann rief er zu Gebeten für ein langes Leben Ihrer Majestät Königin Alessandra und der Kronprinzessin Zorienne auf. Die Mitglieder des Tempels standen mit gefalteten Händen da und sprachen die Anrufung der Götter leise mit. Die Stimmen überlagerten sich und machten es schwer, die einzelnen Worte zu verstehen.
    Bryn hatte Kopfschmerzen und ihr war ein bisschen schwindlig. Um sich davon abzulenken, konzentrierte sie sich auf die Stickereien am Gewand der Prinzessin. Und plötzlich schienen die goldenen Fäden aus dem Gewebe zu fließen und auf sie zu zu treiben. Ein leichter Wind trug sie, ein Wind, der schon durch die ganze Welt gereist war, bevor er hierher kam.
    Ein Flüstern drang in Bryns Ohren. Ein Wort war klar zu verstehen, gesprochen von einer Stimme, die ihr wie eine Glocke durch den Kopf hallte. Prophezeiung.
    Der Wind wurde stärker und lauter, war nun ein Pfeifen, ergriff sie und brachte einen Sturm der Veränderung mit sich. Oh ja, es würde Veränderungen geben, die Leid und Kummer über das Land bringen würden. Nicht nur für Bryn, sondern auch für die Königin von Sorana.
    Bryns Arm hob sich, mit dem Finger zeigte sie auf Prinzessin Zorienne. »Hüte dich vor seinem Tod«, flüsterte sie. »Vor seinem schlafenden Tod.«
    Bryn spürte, wie eine Hand an ihrem Arm rüttelte.
    Ruckartig war sie wieder bei normalem Bewusstsein und erkannte, dass sie als Einzige stand und Dawn verzweifelt an ihr zog. Sie ließ sich auf die Bank fallen und keuchte, als wäre sie total außer Atem.
    Sie war völlig verwirrt über das, was sie gesehen und gehört hatte. Schlafender Tod? Sein schlafender Tod?
    Aber wer war er? Und warum sollte Prinzessin Zorienne sich hüten?
     
    Dawn verließ aller Mut, als Nirene sie und Bryn nach Ablauf der langen Feierlichkeiten für die Königin energisch zur Seite zog. Nirene hatte einen harten Zug um den Mund. Ihr Zorn schien die ganze Nische zu füllen, in der sie standen. »Als ich dich zur Duenna gemacht habe, Dawn, habe ich angenommen, du kennst die Grundregeln einer wichtigen Zeremonie.« Sie wirbelte zu Bryn herum.
    »Zu stehen, wenn alle anderen sitzen! Was hast du dir denn dabei gedacht?«
    »Es tut mir sehr Leid!« Bryn war bleich und ein gequälter Ausdruck lag in ihren goldbraunen Augen.
    »Und hast du auch etwas gesagt?«, wollte Nirene wissen. Bryn sah aus, als würde sie gleich wieder keuchend nach Luft schnappen.
    »Hat sie etwas gesagt?«, fragte Nirene Dawn.
    Dawn schüttelte energisch den Kopf. Sie war nah genug bei Bryn gewesen, um zu hören, dass Bryn wirklich etwas gesagt, etwas von Tod gemurmelt und auf Prinzessin Zorienne gezeigt hatte. Dawn hatte sofort ihren Arm gepackt und gehofft, niemand sonst hätte etwas gehört.
    Sie hasste es zu lügen, doch wenn sie Nirene erzählte, was passiert war, würde sie keine ruhige Minute mehr haben. »Nein, Sendrata. Sie hatte Atemprobleme. Das war alles.«
    »Das ist der heiligste Bereich in Sorana«, fauchte Nirene. »Ihr seid hier, um den Göttern zu dienen, nicht um euch unverschämt aufzuspielen.« Sie funkelte Dawn an.
    »Eine Duenna ist für das Verhalten ihres Schützlings verantwortlich. Um euch an eure Pflichten zu erinnern, werdet ihr bis zur Sommersonnenwende die Latrinen der Helferinnen noch vor dem Morgengong reinigen.« Und mit streng gerunzelter Stirn sagte sie zu Bryn: »Und dich, Mädchen, behalte ich im Auge. Wenn du die Regeln noch einmal so schamlos verletzt, finde ich schlimmere Aufgaben für dich, als die Latrinen zu reinigen!«
    Dawn verbeugte sich entschuldigend. Sie musste Bryn mit dem Ellbogen anstoßen, damit sie das auch tat.
    Nirene beachtete ihre Verbeugungen überhaupt nicht, was eine gezielte Beleidigung war. »Kümmer dich um ihre Ausbildung«, war alles, was sie sagte, bevor sie aus der Nische rauschte.
    Bryns Wangen waren jetzt heiß und rot.

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