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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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Menschen wie Gridley und Eloise begünstigten.
    Der Triumph, den sie empfand, als Kirans Schwan ihm die Feder übergab, ließ ihr Herz schneller schlagen und ihren verwundeten Kopf pochen. Nicht irgendein Schwan, sondern ein schwarzer Schwan, der seltenste und vornehmste aller Vögel! Das würde den Federn und den Flügeln im Magen liegen, ihnen, die sich so gerne über Kiran lustig machten.
    Aber es wartete noch ein Schock auf die arroganten Flügel. Brock, der Sohn eines Schmieds aus dem Südland, wurde von einer Eule, dem Fleckenkauz, erwählt, einem Vogel von hohem Rang. Noch neu im Tempel hatte sich Brock im Mathematikunterricht als so viel versprechend erwiesen, dass Dawn bezweifelte, den Titel behalten zu können, den ihr ihre Freundinnen verliehen hatten: Königin der Zahlen. Die anderen Schüler wussten nicht, was sie von Brock, mit seiner dunklen Haut und der schnellen, melodischen Art zu sprechen, halten sollten. Wenn Ishaan ihn mit gerunzelter Stirn anblickte, fuhr er sich durch die schwarzen Haare, zuckte mit einer Augenbraue und löste meist lässig die verwirrendsten Probleme. Dawn erinnerte sich an den Tag, als er das Quarend-Theorem gelöst hatte, eine Leistung, für die sie Stunden gebraucht hatte. Doch Brock hatte die Kugeln seiner Rechentafel nur minutenlang klacken lassen, dabei zur Decke geblickt, die Augen hin und her flitzen lassen und mit dem Kopf gewackelt, und schon war er fertig.
    Und nun war er von der Eule erwählt.
    Keiner der Vögel, die den anderen Helfern Federn übergaben, war so etwas Besonderes wie der Schwan oder die Eule. Nachdem alle wartenden Helfer am Gong vorbeigegangen waren und die zulässige Zeit im Kreis verbracht hatten, waren die Helferinnen an der Reihe.
    Dawn wartete hinter Alyce auf ihre letzte Chance, eine Feder zu erhalten.
    Alyce betrat den Kreis und verließ ihn wieder unerwählt. Noch einmal durfte sie nicht an der Vogelweihe teilnehmen. Wenn sie im Tempel blieb, wäre sie ihr Leben lang eine Helferin. Doch es war ihr keine Enttäuschung anzusehen. Backen war ihre Leidenschaft, und so wollte sie nur zur Bäckerei des Tempels gehören.
    Als Dawn am Gong vorbei in den Kreis schritt, war sie froh, dass kein Wind ging. Der hätte vielleicht die Bänder zur Seite geweht, die ihren Verband verdeckten.
    Ihr verletzter Kopf pochte schmerzhaft mit jedem Herzschlag, und sie musste sich konzentrieren, um aufrecht stehen zu bleiben, wobei ihr klar war, dass alle sie wegen ihrer Größe angafften. Warum nur hatte Vernelda ihre Gebete nicht erhört? Jetzt war sie schon seit zwei Jahren größer, als sie sein wollte, und sie wuchs noch immer.
    Aber all das würde sie nicht weiter bekümmern, wenn nur der Reiher sie erwählte.
    Während sie in den Himmel blickte, kamen ihr die wenigen Augenblicke im Kreis wie eine Ewigkeit vor.
    Kein Vogel erschien. Dawn versuchte, nicht zu zeigen, wie furchtbar enttäuscht sie war. Nun würde sie nie eine Feder erhalten. Aber wenigstens blieb ihr das Studium der Sterne. Der Himmel mochte verwirrend sein, aber die Sternkarten zu lesen war immer noch besser, als bis ins hohe Alter in der Molkerei zu arbeiten oder, noch schlimmer, im Speisesaal.
    Die erste Helferin, die eine Feder erhielt, war Willow, die stille Tochter eines Lords, die manchmal beim Essen bei Dawn, Alyce, Jacinta und Bryn am Tisch saß.
    Ein Zaunkönig hüpfte auf ihre Hand und bot ihr eine weiche graue Feder an. Willow würde nun vielleicht eingeladen, ein Mitglied der Federn zu werden, aber sie würde sicher nicht annehmen, sich Eloise nicht unterordnen.
    Unter ihrem schimmernden Gewand blitzten Clea Erringtons juwelenbesetzte Schuhe hervor, als sie in die Mitte ging. Kaum einen Augenblick musste sie warten, bevor ihr Vogel am Himmel erschien. Selbst aus dieser Entfernung konnte Dawn den Geier an seiner Art zu fliegen erkennen. Der kahlköpfige Vogel richtete sich vor Clea auf, sein knittriger Hals und das derbe Gefieder standen im starken Kontrast zu Cleas Satin und Gold.
    Clea verbeugte sich tief und empfing ihre Feder.
    Als der Geier davonflog, meinte Dawn einen Hauch von Aas zu riechen. Gerne hätte sie die Faust gegen Keldes erhoben, den Herrn des Geiers. Warum belohnte der Gott des Todes Clea so? Womit hatte sie eine solche Ehrung verdient, außer herzlos und eingebildet zu sein?
    Was würde sie mit ihrer Macht, unauflösbare Verfluchungen auszusprechen, anfangen?
    Niedergeschlagen sah Dawn zu, wie Bryn mit ihrem gewohnt leichten Schritt in den Kreis trat. Ihr Kleid war

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