Das Licht des Orakels
geblieben, um sich mit dem Meisterpriester und Lord Errington zu unterhalten.
Bryns Wangen brannten, als sie daran dachte, wie sehr sie gehofft hatte, Kiran würde ihre Gefühle für ihn erwidern. Er war so unglaublich nett zu ihr gewesen, hatte sie beim Trell unterstützt, während sie nur herumgestampft war, unfähig ihre Füße so zu setzen, wie sie sie eigentlich setzen wollte.
Verflucht.
Sie ließ den Kopf hängen. War es denn ein Wunder, dass Kiran mit Clea tanzen wollte, einem schönen und eleganten Mädchen, der es nicht im Traum einfallen würde, auch nur einen falschen Schritt zu machen?
Wegen ihr kann ich nicht tanzen. Wegen ihr wird Kiran mich immer nur als das Mädchen ansehen, mit dem er lästige Pflichten teilt.
Bryn wusste, dass Clea Kiran bei jeder Gelegenheit anhimmelte, ihn ständig anlächelte und mit einer ganz bestimmten Stimme sprach, sobald er in der Nähe war.
Weißt du, dass Kiran sich heimlich mit mir trifft?, hatte Clea sie gefragt. Konnte das stimmen?
In der steinernen Nische war es ziemlich kühl. Bryn zitterte. Sie konnte hier nicht alleine wie ein heulendes kleines Kind hocken bleiben. Es ist Sonnwendfeier. Solz obsiegt. Mein siebzehnter Geburtstag.
Andererseits konnte sie den Gedanken nicht ertragen, zurück zum Tanz zu gehen. Sie würde es niemals schaffen, ihren Schmerz zu verbergen, wenn Kiran und Clea wieder zusammen tanzten. Es wäre besser, sich davonzustehlen.
Mit einem letzten Blick auf das Portal der großen Halle wandte sich Bryn von der Musik ab und floh in die Ruhe des Schlafsaals.
17
Wie jedes Jahr fand Kiran den Morgen nach dem Sonnwendfest kälter als jeden anderen. Kälter und düsterer.
Nur wenige waren schon auf den Beinen, die meisten hatten die ganze Nacht gefeiert und schliefen sich aus.
Er trug einen in Sackleinen eingeschlagenen Knochen für Jack bei sich, als er einer verschlafenen Wache zunickte und nach draußen ging. Die Luft war schneidend kalt. Schnell lief er durch den Schnee zu den Ställen, wo Jack sein Lager aus Stroh hatte. So früh es auch war, kleinere Füße hatten bereits ihre Spur hinterlassen. Kiran erkannte Bryns Fußabdrücke. Er lief noch schneller. Am Abend war sie nicht zurückgekommen. Jacinta hatte nach ihr gesucht und Alyce. Dawn war so im Rausch des Tanzens mit Avrohom versunken, dass sie nicht bemerkt hatte, wie früh Bryn den Ball verlassen hatte. Die anderen meinten, dass ihr schlecht geworden war.
Da er Clea keine weitere Gelegenheit zum Tanzen geben wollte, hatte sich Kiran ebenfalls davongestohlen, nachdem klar war, dass Bryn nicht zurückkommen würde.
Nun schlüpfte er in den Stall. Jack sprang aufgeregt um ihn herum, als er den Knochen auspackte. »Hier, dein Frühstück.«
Während Kiran eine Fackel anzündete, setzte sich der Hund mit dem Knochen zwischen den Pfoten auf die Hinterbacken. Das Licht der Fackel zeigte Bryn zusammengekrümmt auf einem Strohballen neben Obsidians Box liegen, eingehüllt in ihren Umhang, dessen Kapuze ihren Kopf bedeckte.
»Guten Morgen«, sagte Kiran. »Fühlst du dich besser?« Er stellte die Fackel in einen Halter an der Wand.
Dann versetzte sie ihm völlig unvermutet einen
Schlag, indem sie sagte: »Für Lord Errington existiere ich nicht, höchstens vielleicht als Ärgernis für seine Tochter.«
Kiran fragte sich, warum es Bryn etwas ausmachte, ob sie für Lord Errington existierte oder nicht. »Vielleicht ist das ein Zeichen von Charakter«, antwortete er.
»Aber du existierst doch für ihn.« Sie hob den Kopf und die Kapuze glitt herunter. Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht. »Als ich hergekommen bin, wurde uns gesagt: Dies ist der Tempel des Orakels, der heiligste Ort in ganz Sorana. Hier lernen wir den Göttern zu dienen.« Sie rieb sich die Stirn, als könne sie damit ihre Gedanken beruhigen. »Nirene hat betont, dass alle Helferinnen gleich sind, obwohl sie wusste, dass das gelogen war«, fuhr sie fort. »Ilona behauptet, alle vom Vogel Erwählten würden einander lieben und verstehen, und sie tut so, als würde sie die ganzen Boshaftigkeiten der Federn nicht bemerken.« Zitternd holte sie Luft. »Die aber, die wirklich lieben und verstehen wie Jacinta und Willow, die werden nicht begünstigt. Aber alle, vom Meisterpriester bis zur dir, unterwerfen sich Clea. Und welche Tugenden hat sie? Sie ist schön, sie ist reich, sie ist mit dem Königshaus verwandt – und sie verflucht.«
»Bryn«, sagte er. »Ich habe mich Clea nicht unterworfen!«
Ihre Augen lagen
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