Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
Vom Netzwerk:
wohin auch immer.
    Kirans Traumkörper sah noch kränker aus als sein wirklicher. Seine Aura war zerfetzt. Schwach nickte er ihr zu und zeigte den Weg zu seiner Landschaft.
    Sofort umgab sie so dichter Nebel, dass Bryn Kiran nicht mehr sehen konnte. Zielstrebig ging sie mit ausgestreckten Armen in den Nebel hinein und hoffte, auf seine Barrieren zu stoßen.
    Als sie an eine Mauer kam, ging sie daran entlang und tastete mit der Hand nach irgendwelchen Spalten oder Rissen.
    Ihr war schwindlig. Ihre Füße wurden beim Gehen immer schwerer, als hinge Blei an ihnen. Es war, als würde Tod vom Boden aufsteigen und die Luft durchdringen. Ihre Beine drohten, ihr den Dienst zu versagen, aber sie trieb sich weiter durch den trostlosen Nebel voran.
    Da! Sie konnte eine gezackte Bruchstelle in der Mauer ertasten.
    Hier!, schrie sie in der Hoffnung, Kiran würde sie finden. Die Bruchstelle war mit irgendetwas ausgestopft, Bryn tastete es mit der Hand ab. Es schien ein Keil aus Stein zu sein. Als sie ihn berührte, überkam sie das furchtbare Gefühl, dass alles vergeblich war. Aber dann, mit den Händen auf dem Keil, konzentrierte sich Bryn auf ihren Willen zu kämpfen.
    Da sprang unter ihren Händen Wind hervor, ein plötzlicher, machtvoller Ausbruch von strahlend heller Luft, geformt wie ein Steinbruchhammer, warm und stark. Er schlug gegen den Keil, hämmerte gegen die Finsternis.
    Doch weder splitterte der Keil noch bekam er Risse.
    Wille hatte ihn zu einer solchen Dichte geformt, dass er sich weigerte nachzugeben.
    Während Bryn auf ihn einschlug, verstärkte sich ihr
    Gefühl von Vergeblichkeit und eine furchtbare Müdigkeit schwächte sie.
    Nein!, sagte sie und packte den hellen Hammer wieder fester. Ich lasse mich nicht vertreiben. Ich bleibe hier und schwinge den Hammer, für immer, wenn es sein muss.
    Wieder schlug sie auf den unzerstörbaren Keil ein. Sie wusste nicht, wie lange sie schon in dem dunklen Nebel stand und gegen den Steinbrocken kämpfte, den Renchald in Kirans Landschaft eingesetzt hatte. Sie wusste nur, dass sie so lange weitermachen würde, bis sie den Hammer nicht mehr halten könnte. Erschöpfung durchzog jede Faser ihres Traumkörpers, aber sie hörte nicht auf.
    Schließlich gelang ihr ein Schlag, der mit einem Mal den ganzen Keil auflöste. Er explodierte und wurde zu einer Wolke aus dunklem Staub, die schnell verschwand.
    Völlig erschöpft stützte sie sich mit den Händen rechts und links der klaffenden Bresche ab und rief Kiran. Bist du da? Der Keil ist weg. Kannst du die Barriere ausbessern?
    Immer dünner werdende Nebelfetzen zogen davon und immer größere Teile der aufragenden Grenzmauer wurden sichtbar. Dann war Kiran neben ihr und die Hände seines Traumkörpers lösten ihre an der Bresche ab. Ja, das kann ich in Ordnung bringen, sagte er zu ihr. Ich danke dir, Geliebte!
     
    Schlagartig wachte Bryn auf. Mit untergeschlagenen Beinen saß sie da, Kopf und Arme auf Kirans Liege abgestützt. Blassgraues Licht fiel durch das Fenster. Es musste kurz vor der Morgendämmerung sein.
    Sie konnte sich noch daran erinnern, in Kirans Landschaft gewesen zu sein. Er hatte ihr gesagt, er könne seine Barriere wieder richten. Und er hatte sie Geliebte genannt.
    Wirklich? Stöhnend streckte sie die Beine aus. Sogar ihre Knochen waren müde.
    Kiran schlief. Sein Gesicht sah wunderbar friedlich aus und auch seine Gesichtsfarbe hatte sich gebessert. Sie wollte ihn nicht wecken. Solch heilender Schlaf durfte nicht gestört werden.

 
22
     
    Selid konnte nicht schlafen. Für sie war das Schlafzimmer die ganze Nacht hindurch voll hellen, silbrigen Lichts, Licht, das sie einhüllte und beruhigte.
    Bei Tagesanbruch nahmen sie und Lance Abschied
    von Bryn, Dawn und der Truppe. Bryn ließ sich von ihnen versprechen, dass sie so bald wie möglich nachkommen würden. Selid versuchte, die junge Prophetin zu beruhigen, doch Bryn war tief besorgt.
    Der Schreiner und seine Frau winkten den Reisenden noch nach und gingen dann ins Haus, um nach Kiran zu sehen. Er schlief tief und fest und Jack saß aufmerksam zu seinen Füßen.
    »Keine Angst«, flüsterte Lance Jack zu. »Wir wecken ihn nicht auf.«
    Auf Zehenspitzen schlichen sie in ihr Schlafzimmer.
    »Er erholt sich langsam«, sagte Lance. »Er hat eine viel gesündere Farbe. Ich packe jetzt und mache die Pferde fertig. Wir können losreiten, sobald Kiran aufgewacht ist.« Er streichelte Selid über das Haar. »Wir haben noch eine lange Reise vor uns.«
    Eine sehr

Weitere Kostenlose Bücher