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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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jünger aus als die fünfzehn Jahre, die sie in Wirklichkeit war. Das Haar war raspelkurz geschoren und die Wange mit einem Soft-Tattoo verziert. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit hohen Wangenknochen und warmen Augen, das Stirnrunzeln war aber unvorteilhaft und wirkte antrainiert.
    Er lächelte gezwungen. »Meine Mutter…«
    »Erwartet dich. Ich weiß.« Sie schaute an ihm vorbei auf die Meute der Reporter. »Komm rein.«
    Gern hätte er ihr sein Beileid wegen ihres Vaters ausgesprochen, fand aber nicht die richtigen Worte, zumal ihr Gesicht hart und ausdruckslos blieb. So verstrich die Gelegenheit.
    Er folgte ihr ins Haus und betrat einen schmalen Flur. Auf dem Boden standen Winterschuhe, und an der Wand hingen Mäntel. Er warf einen Blick in eine behaglich anmutende Küche und in einen Raum, dessen Wände mit großen SoftScreens tapeziert waren. Es schien sich um ein Arbeitszimmer zu handeln.
    Mary piekste ihn in den Arm. »Schau mal.« Sie trat vor, wandte sich den Reportern zu und zog sich das Kleid über den Kopf. Zwar trug sie ein Höschen, aber die kleinen Brüste waren blank. Dann streifte sie das Kleid wieder über und knallte die Tür zu. Er sah rote Flecken auf ihren Wangen. Zorn, Verlegenheit?
    »Warum hast du das getan?«
    »Sie glotzen mich sowieso die ganze Zeit an.« Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte die Treppe hinauf, wobei die Schuhe auf den hölzernen Stufen klapperten.
    »Du musst sie entschuldigen. Sie kommt damit nur schwer zurecht.«
    Das war also Heather, die durch den Flur langsam auf ihn zukam.
    Sie war kleiner, als er erwartet hatte, und schien schlank, sogar hager zu sein; bis auf Fettpölsterchen an den Schultern. Ihr Gesicht mochte einmal Marys elfenhaften Ausdruck getragen haben, doch nun traten die Wangenknochen unter der sonnengegerbten Haut hervor, und die braunen Augen, die tief in den Höhlen lagen und von Krähenfüßen bekränzt wurden, schauten müde. Das von grauen Strähnen durchzogene Haar hatte sie zu einem Dutt gebunden.
    Fragend schaute sie zu ihm auf. »Bist du in Ordnung?«
    Bobby brachte im ersten Moment kein Wort heraus. »Ja… Ich bin mir nur nicht sicher, wie ich dich anreden soll.«
    Sie lächelte. »Wie wär’s mit ›Heather‹? Das Ganze ist eh kompliziert genug.«
    Ansatzlos trat sie vor und schlang ihm die Arme um die Brust.
    Er hatte versucht, für diesen Moment zu proben, hatte sich vorzustellen versucht, wie er den mutmaßlichen Sturm der Gefühle bewältigen würde. Und nun war der Augenblick gekommen, und er fühlte…
    Nichts.
    Dabei war er sich die ganze Zeit einer Million Augen bewusst – schmerzlich bewusst –, die auf ihm ruhten und jede seiner Gesten und Regungen verfolgten.
    Sie löste sich von ihm. »Ich habe dich nicht mehr gesehen, seit du fünf Jahre alt warst. Da kann man wohl nichts anderes erwarten. Aber jetzt glaube ich, haben wir genug Show abgezogen.«
    Sie führte ihn in den Raum, den er mit Vorbehalt als Arbeitszimmer identifiziert hatte. Auf einem Arbeitstisch lag eine große SoftScreen in der feinkörnigen Ausführung, wie sie von Künstlern und Grafikdesignern verwendet wurde. Die Wände waren mit Listen, Abbildungen von Menschen und Orten sowie gelben Zetteln mit unleserlicher Handschrift tapeziert. Manuskripte und Fachbücher lagen auf jedem freien Fleck, einschließlich des Bodens. Heather schnappte sich einen Haufen Papiere auf einem Drehstuhl und warf sie auf den Boden. Er nahm das implizite Angebot an und setzte sich.
    Sie lächelte ihn an. »Als kleiner Junge mochtest du gerne Tee.«
    »Ach ja?«
    »Du hast früher nichts anderes getrunken. Nicht einmal Limonade. Möchtest du welchen?«
    Er wollte schon ablehnen – aber sie hatte wahrscheinlich etwas ganz Besonderes gekauft. Und überhaupt ist sie deine Mutter, Arschloch. »Sicher«, sagte er. »Danke.«
    Sie ging in die Küche, kam mit einer dampfenden Kanne voll Jasmintee zurück und beugte sich dicht über ihn, als sie ihm einschenkte. »Du kannst mir nichts vormachen«, flüsterte sie. »Aber ich danke dir trotzdem, dass du mir den Gefallen getan hast.«
    Verlegenes Schweigen trat darauf ein, und er nippte am Tee.
    Schließlich wies er auf die große SoftScreen und den Papierwust. »Du bist eine Filmemacherin, stimmt’s?«
    Sie seufzte. »Das war ich einmal. Dokumentarfilme. Ich betrachte mich als eine investigative Journalistin.« Sie lächelte. »Ich habe Auszeichnungen erhalten. Du kannst stolz sein auf deine Mutter. Nicht dass dieser Aspekt

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