Das Licht ferner Tage
exakt wie möglich eingrenzte. Das Suchprogramm vermochte ihre Anfrage in Längen- und Breitengrad-Koordinaten umzusetzen und weitere Optionen zu nennen. Sie verfeinerte die Suche so weit, bis sie das Ziel auf ein zimmergroßes Volumen auf oder über der Erdoberfläche reduziert hatte, wo sie dann eine Wurmlochöffnung einrichtete.
Das Programm verfügte auch über einen Zufallsgenerator, falls sie keine Präferenz hatte: wenn sie zum Beispiel ein Südseeatoll betrachten wollte, aber nicht wusste, welches. Sie vermochte sogar – für eine zusätzliche Gebühr – eine ›Relais‹-Funktion zu nutzen; zum Beispiel hatte sie die Möglichkeit, eine Straße zu observieren und ein Haus zu wählen, um dort ›anzuklopfen‹.
Nachdem sie ihre Wahl getroffen hatte, öffnete sich ein Wurmloch zwischen dem Zentralrechner des Dienstanbieters und dem Ort ihrer Wahl. Die Bilder wurden dann von der WurmCam direkt zu ihrem Computer übertragen. Es war ihr sogar möglich, den Blickwinkel zu dirigieren – jedenfalls bis zu einem gewissen Grad.
Durch die kommerzielle Schnittstelle erlangte die WurmCam die Anmutung eines Spielzeugs, wobei jedes Bild von penetranten OurWorld- Logos und Werbebannern durchzogen wurde, die man nicht zu deaktivieren vermochte. Heather wusste aber, dass die WurmCam ein viel größeres Potential besaß, als die Markteinführung erahnen ließ.
Nachdem sie das System erfolgreich installiert hatte, rief sie voller Stolz ihre Tochter Mary herbei. »Schau«, sagte sie und wies auf den Bildschirm. Die WurmCam zeigte das Bild eines Hauses im abendlichen Sommerlicht. Die Abbildung wurde von lästigen Werbebotschaften eingerahmt. »Das ist das Haus, in dem ich geboren wurde. In Boise, Idaho. Es war genau in diesem Zimmer.«
Mary zuckte die Schultern. »Willst du mir einen Schrecken einjagen?«
»Sicher. Zum Teil habe ich es auch für dich aufgerufen. Deine Hausaufgaben…«
»Ja, ja.«
»Hör mal, das ist kein Spielzeug…« Plötzlich wurde die SoftScreen schwarz.
Mary runzelte die Stirn. »Was ist nun los…? Ach so. Ich verstehe. Das ist eine Kindersicherung. Dann sehen wir also nur, was sie uns zeigen wollen.«
Damit sollte verhindert werden, dass Voyeure mit der WurmCam Leute in ihren Wohnungen oder an sonstigen intimen Plätzen beobachteten, dass Firmengeheimnisse verraten und dass Regierungsgebäude, militärische Einrichtungen, Polizeistationen und andere sicherheitsrelevante Orte ausgespäht wurden. Die ›Kindermädchen‹-Software sollte darüber hinaus Verhaltensmuster registrieren und für den Fall zweifelhafter Reaktionen und Suchtverhalten die Verbindung unterbrechen und psychologische Beratung anbieten; entweder von einem Expertensystem oder einem menschlichen Spezialisten.
Bislang stand der Öffentlichkeit nur die Fernbetrachtungs-Funktion der WurmCam zur Verfügung. Die Experten hielten es für zu gefährlich, der Allgemeinheit auch die Vergangenheits-Betrachtungs-Option einzuräumen – es schien ihnen sogar zu riskant, die Öffentlichkeit über die Existenz der Vergangenheits-Betrachtungs-Funktion auch nur in Kenntnis zu setzen.
Natürlich hing der Erfolg dieser Verschleierungstaktik allein vom Einfallsreichtum der menschlichen Planer ab. Und wirklich wurde durch Internet-Gerüchte, Indiskretionen der Industrie und Spekulationen bereits die Forderung laut, der Allgemeinheit uneingeschränkten Zugriff auf die Möglichkeiten der WurmCam zu gewähren: Das heißt auf die Vergangenheits-Betrachter.
Heather hatte das Gefühl, dass diese neue Technologie allein schon auf Grund ihrer Natur schwer zu beherrschen sein würde…
Diese Problematik wollte sie mit ihrer fünfzehn Jahre alten Tochter aber nicht erörtern.
Heather schloss das Wurmloch und bereitete eine neue Suche vor. »Ich muss arbeiten. Geh jetzt. Du darfst später spielen. Aber nur für eine Stunde.«
Anna Petersen von der amerikanischen Marine – Star einer WurmCam- Doku-Seifenoper im Stil von ›Big Brother‹ – hatte an der UN-Intervention im Wasserkrieg, der im Gebiet des Aralsees tobte, teilgenommen. Die Alliierten unter der Führung der USA führten einen Präzisionskrieg gegen den Haupt-Aggressor Usbekistan: Eine Aggression, die westliche Interessen an Öl- und Schwefelvorkommen und verschiedenen Erzlagerstätten berührt hatte, einschließlich eines großen Kupfervorkommens. Die intelligente und technisch begabte Anna war insbesondere bei Führungs- und Fernmeldeaufträgen eingesetzt worden.
Die WurmCam-
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