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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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zunichte gemacht wurde. Wir sind nicht in der Lage, die Vergangenheit auszulöschen. Wir können nur weitermachen und hoffen, dass wir die gleichen Fehler nicht noch einmal begehen.«
    »Meinst du?« fragte David mit einem bitteren Klang in der Stimme. Er stand auf und machte die Fenster mit schnellen Bewegungen undurchsichtig, so dass das Licht der Nachmittagssonne nicht mehr in den chaotischen Raum fiel. Dann setzte er sich neben Bobby und rollte eine Soft-Screen aus. »Schaun wir mal, ob du noch immer dieser Ansicht bist, nachdem du das gesehen hast.« Mit energischem Tastendruck rief er eine gespeicherte WurmCam- Aufzeichnung auf.
    Die Brüder wurden ins Licht der Vergangenheit getaucht.
     
    Die Nussschale von Segelschiff näherte sich der Küste. Zwei weitere Schiffe tauchten am Horizont auf. Es war ein weißer Sandstrand, das Meer war still und blau, und das weite Himmelszelt wölbte sich über die Idylle.
    Menschen erschienen am Strand, Männer und Frauen. Sie waren dunkelhäutig, nackt und gut gebaut. Alle schienen erstaunt. Einige der Eingeborenen schwammen dem Schiff entgegen.
    »Kolumbus«, sagte Bobby atemlos.
    »Ja. Das sind die Arawaks. Die Ureinwohner der Bahamas. Sie waren freundlich und arglos. Sie machten den Europäern Papageien, Ballen von Baumwolle und Speere aus Zuckerrohr zum Geschenk. Sie besaßen aber auch Gold in Form von Ohrschmuck.
    Kolumbus nahm sofort ein paar Arawaks als Geiseln, um sie über die Herkunft des Golds zu befragen. Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Die Spanier hatten Rüstungen, Musketen und Pferde. Die Arawaks kannten kein Eisen und vermochten den Waffen und der Taktik der Europäer nichts entgegenzusetzen.
    Bald wurden die Arawaks als Arbeitssklaven eingesetzt. Auf Haiti wurden zum Beispiel ganze Berge auf der Suche nach Gold ausgehöhlt. Die Arawaks starben wie die Fliegen, alle sechs Monate etwa ein Drittel der Arbeiter. Bald kam es zu Massenselbstmorden durch Cassava-Vergiftungen. Die Indianer töteten ihre Kinder, damit sie nicht den Spaniern in die Hände fielen. Bei Kolumbus’ Ankunft hatten ungefähr eine Viertelmillion Arawaks auf Haiti gelebt. Nach ein paar Jahren waren sie durch Mord, Zwangsarbeit und Selbstmord auf die Hälfte reduziert worden. Und 1650 waren die Arawaks auf Haiti nach jahrzehntelanger brutaler Sklaverei ausgerottet.
    Es stellte sich heraus, dass überhaupt keine Goldfelder existierten: Nur Goldstaub, den die Arawaks in Flüssen gesammelt und aus dem sie den Schmuck gefertigt hatten, der ihren Untergang bedeutete.
    Das war der Auftakt der Invasion Amerikas, Bobby.«
    »David…«
    »Warte, es geht noch weiter.« Er tippte auf die SoftScreen und rief eine neue Szene auf.
    Bobby sah verschwommene Abbildungen einer kleinen und übervölkerten Stadt aus weißem Stein, der im Sonnenlicht glühte.
    »Jerusalem«, sagte David. »Fünfzehnter Juli 1099. Überall Juden und Moslems. Die Kreuzfahrer, ein Militärbündnis der westeuropäischen Christenheit, halten die Stadt für einen Monat belagert. Nun setzen sie zum Sturmangriff an.«
    Bobby sah Gestalten in schweren Rüstungen über Wälle klettern und Soldaten, die sie abzufangen versuchten. Die Verteidiger wurden zurückgedrängt, und die Ritter rückten mit geschwungenen Schwertern immer weiter vor. Fassungslos verfolgte Bobby, wie ein Mann mit einem einzigen Streich enthauptet wurde.
    Die Kreuzfahrer kämpften sich in den Tempelbezirk vor. Dort hielten die moslemischen Verteidiger für einen Tag stand. Schließlich brachen die Kreuzfahrer durch und massakrierten die restlichen Gegner, wobei sie bis zu den Knöcheln im Blut wateten.
    Die Ritter und das Fußvolk schwärmten in der Stadt aus und plünderten sie. Nicht einmal vor dem Felsendom machten sie Halt und stahlen Lampen und Kandelaber. Nachdem die Kreuzfahrer Münzen in den Mägen einiger Leichen gefunden hatten, schlitzten sie auch viele andere Tote auf.
    Neben all dem Morden und Brandschatzen sah Bobby, dass Christen Fleisch aus den gefallenen Feinden schnitten, es brieten und verzehrten.
    Diese grässlichen Szenen zogen in streiflichtartigen bunten Bildern an ihm vorbei: Bluttriefende Schwerter, wiehernde Pferde, die harten Blicke schmutziger und halb verhungerter Ritter, die ihre Langschwerter schwangen und dabei Psalmen und Hymnen grölten.
    »Das war ein Offenbarungseid für unsere Zivilisation«, murmelte David. »Es war ein barbarischer Akt und hat einen Graben zwischen Ost und West aufgerissen, der bis heute nicht zugeschüttet

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