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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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einmal.
    Er nickte knapp, fast spöttisch; ein Ritter, der dem Befehl seiner Dame folgt. Dann schwang er sich in den Sattel und ritt davon – vielleicht auf der Suche nach einem neuen Opfer.

JANNER TRIFFT DEN FUCHS
    D ie Mittagssonne brannte auf die kleine Ortschaft, als wollte sie den letzten Rest Feuchtigkeit aus ihr herausbacken. Das Gras auf den Weiden war gelb und brüchig wie altes Haar, und das warme Wasser im Brunnen und der algigen Tränke stand so tief, dass es nur noch Fliegen anzog.
    Janner schmerzte der Kopf, als er die Kreuzung oberhalb der Handvoll Häuser erreichte. Der Schlafmangel der letzten Nächte ließ ihm mehrmals die Augen zufallen, während er da auf seinem Wallach in der Sonne saß, die Hände im Schoß, und wartete.
    Der andere Reiter kam gemächlich den Weg herauf. Zwei ärmliche Höfe mit Hühnern und mageren Kühen, ein Rasthaus wie so viele, mit schlechtem Kaffee und noch schlechterem Tikai, vor dem mehrere Pferde standen, daneben ein Hufschmied und ein kleiner Laden – mehr gab es hier nicht. Janner fragte sich, weshalb sie sich ausgerechnet hier trafen. Vielleicht, überlegte er, war das einfach alles, was ihm geblieben war: ein trockenes, blutleeres Nichts.
    Der andere Reiter blieb vor ihm stehen, in einem Abstand von etwa sechs Schritt – weit genug für den Anlass, doch nahe genug, dass selbst ein einäugiger Schütze kaum sein Ziel verfehlen konnte –, und schob seinen Hut hoch. Es war ein teurer Hut, der dem Reiter nicht stand, und er war das Sauberste an ihm.
    »Feiner Hut«, sagte Janner, ohne mit der Wimper zu zucken. »Hat die alte Dame ihn dir freiwillig überlassen, oder musstest du sie erst vor eine Kutsche stoßen?«
    »Deine Mutter sagt, sie will nicht, dass du ihren Preis kennst«, lachte Krayn. Es war kein schönes Lachen, sondern klang wie ein Fuchs mit einem Husten. Janner musste daran denken, wie April Krayn im Fieber für einen Fuchs gehalten hatte, und lächelte still.
    »Komm ruhig näher«, sagte er. »Dann muss ich nicht so schreien.«
    Krayn ließ sein Pferd lässig ein paar Schritte auf ihn zu machen und hielt dann neben ihm an. Sie hätten sich nun mit ausgestreckter Hand berühren können. Janner musterte ihn von Kopf bis Fuß: die Augenklappe, der kahle Schädel, das löchrige Kettenhemd wie eine mottenzerfressene Weste, das alte Schwert an der Seite – etwas kürzer als Banneisen, doch genauso erprobt –, die abgelaufenen Stiefel und das lange Messer, das die Bäuche von Fischen, Pferden und Menschen von innen gesehen hatte.
    »Freut mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist«, sagte Krayn.
    »Denk ich mir, dass dich das freut«, sagte Janner. »Denn gekriegt hättest du mich nicht – das wollen wir doch festhalten.«
    Krayn zuckte die Schultern. »Vielleicht, vielleicht nicht. Wahrscheinlich nicht lebend, nein.«
    »Ich hätte mir denken können, dass du früher oder später bei der großen Jagd mitmischst.«
    »Früher oder später?« Krayn runzelte die Stirn und grunzte. »Ich jage dich vom ersten Tag an, alter Freund. Seit der kleine Toni unter diesem Mühlstein starb. Eine Weile bist du uns entwischt. Dann hast du mit unseren alten Freunden Kontakt aufgenommen.«
    »Das war ein Fehler«, gab Janner zu.
    »Mir war ja klar, dass du es nicht lange schaffst, die Füße stillzuhalten. Ich meine, du spielst einfach zu gern den Draufgänger, und verlässt dich auf dein Glück, selbst wenn alle Trümpfe gegen dich stehen. Und du hast ja jetzt ein Mädchen.«
    »Das habe ich.«
    »Dem muss man was bieten.«
    »Wie man so sagt.«
    »Wie alt ist sie denn? Sechzehn?«
    »Siebzehn.«
    Krayn schüttelte den Kopf. »Du hättest wirklich früher kommen sollen, wenn dir an ihrer Sicherheit was liegt.«
    »Sie kann ganz gut auf sich achtgeben, weißt du.«
    »Bislang schon.« Krayn musterte ihn, und einen Moment glaubte Janner so etwas wie Respekt in seinem Blick zu sehen. Der alte Neid, wie zwischen Brüdern, den er früher schon gespürt hatte, wenn sie für Don Torreno Geschäfte gemacht oder Geld eingetrieben hatten. Krayn hatte immer versucht, der Ältere und Vernünftigere zu sein, doch Janner hatte stets das Gefühl gehabt, dass er dem alten Starrkopf überlegen war. Bis heute.
    »In Ipatana habt ihr den armen Petro erledigt. Gar nicht schön, was ihr da in eurem Zimmer hinterlassen habt.«
    »Du warst dort?«
    »Zwei Tage später, ja. Er war wohl zu gierig. Hat sich die Veretti-Kutsche denn gelohnt?«
    Janner nickte, und Krayn grinste versonnen.

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