Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
frohes Hippie-Gesicht anders wahr. Es sah pathetisch aus. Ich war eine Touristenattraktion, amüsant für die Touristen, die nicht begriffen hatten, daß es keine Hippies mehr gibt.
Also hörte ich auf, Kunst um der Kunst willen zu machen und fing an, sie um A.Brian Crowes willen zu machen. Ich habe ein paar interessante Sachen gelernt; daß eine Firma sich etwas, das tausend Eier kostet, nicht mal angucken wird, dasselbe Ding, wenn es zehntausend Eier kostet, aber unbedingt haben will. Ich habe einfach nur Nullen an meine Preisschilder angehängt. Ich habe mir einen Agenten gesucht und angefangen, auf Partys zu gehen und Weißwein mit den richtigen Leuten zu trinken. Man kann es Ausverkauf nennen… Ich nenne es Verkauf.«
Neal sah ihm nicht in die Augen. Crowe sah älter aus. Das Feuer in seinen Augen war einem Glühen gewichen.
»Ist schon okay, Crowe.«
Der Künstler spielte weiter seine Rolle. Er stand auf, wirbelte das Cape um seine Schultern und sagte: »Crowes Adresse und Telefonnummer stehen auf der Karte. Ruf Crowe an. Wir werden zusammen essen.«
Neal sah ihm hinterher. A.Brian Crowe, larmoyanter Künstler, Gegenkultur-Held, Goldcard-Besitzer.
Ist schon okay, dachte Neal. Jeder von uns ist mindestens zwei Menschen.
3
Neal marschierte zurück zum Hopkins, fand Blue Line Transportation in den Gelben Seiten, rief dort an und erfuhr, daß die gute alte Linie 4 aus Downtown San Francisco bis nach Mill Valley fuhr, wo sie ihre Passagiere am »Terminal Bookstore« ausspuckte. Neal fragte sich, ob die »Letzte Buchhandlung« sich auf Literatur für Leichenbestatter spezialisiert hatte, war aber im Prinzip willens, mit jedem Bus zu fahren, dessen Route an einer Buchhandlung endete. Er hatte noch eine Stunde und zwanzig Minuten, um den Zwei-Uhr-Zwanzig in der Montgomery Street im Financial District zu erwischen.
Er ging hinunter zum Souvenir-Shop in der Hotel-Lobby und kaufte sich einen Führer der Bay-Area. Auf Seite 64 erfuhr er, daß Mill Valley ein kleines Städtchen in Marin County war, angekuschelt an den Südhang des Mount Tamalpais, nur ein paar Minuten mit dem Auto von der Golden Gate Bridge entfernt.
Neal kaufte auch eine blaue Vinyl-Tasche, die behauptet I LEFT MY ♥ IN SAN FRANCISCO , und kehrte in sein Zimmer zurück.
Er orderte beim Zimmerservice einen Cheeseburger und fing an, die Tasche zu packen. Der letzte Bus zurück fuhr um neun Uhr abends, und da er noch nicht recht wußte, was er in Mill Valley tun würde, wußte er auch nicht, ob er bis dahin damit fertig sein würde. Also packte er für die Nacht: schwarzer Sweater, schwarze Jeans, schwarze Turnschuhe, Handschuhe, Einbruchswerkzeug, zweitausend Dollar in bar. Er duschte schnell, zog sich ein frisches Hemd, die Khaki-Hose und seinen Allzweck-Blazer an, dazu den Schlips und die Slipper.
Diese Maskerade machte ihn noch unauffälliger, als er ohnehin schon war. Mit seiner Durchschnittsgröße, braunem Haar und braunen Augen hätte er ein Poster-Boy für die Anonymen Anonymiker sein können.
Er schlang den Acht-Dollar-Cheeseburger herunter, schnappte sich seine neue Tasche und Ferdinand Count Fathom und marschierte los, den Zwei-Zwanziger zu kriegen.
Wie so viele Reisen, war auch diese von Verzweiflung bestimmt. Er hatte keinen Grund anzunehmen, daß Pendleton und Lila in Mill Valley wären, und er hatte keine Möglichkeit, sie zu finden, selbst wenn sie es waren. Aber die Tickets nach Mill Valley waren die einzige Spur, die er hatte, also konnte er ihr genausogut folgen. Die einzige Alternative war, bei den Freunden anzurufen und zu sagen, daß er es wieder mal vermasselt hatte, und das war eigentlich gar keine Alternative.
Also fuhr er nach Mill Valley. Vielleicht hatte er ja Glück und würde Pendleton im Bus treffen. Vielleicht würde er ihm im Terminal Bookstore begegnen, wo er in der aktuellen Ausgabe von Hühnerkacke für Anfänger blätterte. Vielleicht auch nicht.
Aber es gab Schlimmeres, als an einem sonnigen Nachmittag über die Golden Gate Bridge zu fahren. Nach sechs Monaten Nebel und Regen im Moor von Yorkshire fand Neal den blauen Himmel und den weiten Blick richtig aufregend. Sein zynisches Herz klopfte etwas schneller, seine matten New Yorker Augen weiteten sich ein wenig, und sein sardonisches Schnüffler-Grinsen wich einem richtigen Lächeln, während er über die Brücke fuhr, links den Pazifik, rechts das Bay.
Einfach nur ein ganz normaler Tourist auf einem Ausflug, dachte er, als der Bus Mill
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