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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Rahmen der nördlichen, polychromatischen Sung-Tradition.«
    »Ja, ja!« Olivia nickte begeistert. »Aber das Wundervolle an Li Lans Werken ist, daß sie die alten Techniken an ihre Grenzen geführt hat, indem sie moderne Malerei und westliche Farben integriert. Die Dualität der Spiegel-Bilder reflektiert – im wahrsten Sinne des Wortes – sowohl den Konflikt als auch die Harmonie zwischen Klassik und Moderne. Das ist ihre Metapher.«
    »Es ist auch Chinas Metapher, denke ich«, sagte Neal, froh, daß Joe Graham ihn nicht hören konnte.
    Neal und Olivia betrachteten die Bilder. Olivia übersetzte die Titel aus dem Chinesischen: Schwarze und weiße Strömungen treffen sich; Pool mit schmelzendem Eis; An der Augenbraue des Seidenspinners.
    Dann kamen sie zu dem Bild. Eine riesige Klippe wurde gespiegelt in dem Dampf und Nebel eines scheinbar endlosen Abgrundes. Auf der Klippe saß eine Malerin, eine junge Frau mit einem blauen Band im Haar, sie sah hinunter in den Abgrund, und ihr Spiegelbild – das traurigste Gesicht, das Neal je gesehen hatte –, starrte sie aus dem Dunst heraus an. Das war Li Lans Metapher: Eine Frau beschäftigte sich freudig mit ihrer Kunst und ging doch zugleich im Abgrund verloren.
    Das Gesicht im Nebel war der Mittelpunkt und zog Neals Blick an, bis er sich vorkam, als stürze er selbst von der Klippe, als starre er selbst, gefangen im Abgrund, hinauf zu der Malerin.
    »Wie heißt es?« fragte er.
    »Buddhas Spiegel.«
    »Unglaublich.«
    »Li Lan ist unglaublich.«
    »Wie gut kennen Sie sie?«
    Genau, Lady, wie gut? Gut genug, um mir zu sagen, wo sie steckt? Und mit wem?
    »Sie wohnt bei uns, wenn sie in den Staaten ist.«
    Vorsichtig, sagte sich Neal. Langsam, nett und vorsichtig.
    »Dann ist sie nicht von hier?«
    »Nein. Aus Hongkong. Sie besucht uns alle paar Jahre.«
    »Ist sie gerade hier?« hörte er sich fragen, und fragte sich im selben Moment, ob er nicht zu schnell vorging.
    Mehr als er ihn sah, fühlte er Olivias neugierigen Blick. Er konzentrierte sich ganz auf das Gemälde.
    »Ja, ist sie«, sagte Olivia vorsichtig.
    Ach, zum Teufel, entschied er, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
    »Ich habe eine tolle Idee«, sagte Neal. »Ich lade Sie alle zum Essen ein. Natürlich auch Mr. Kendall. Gibt es einen Mr. Kendall?«
    Olivia sah ihn einen Augenblick lang an, dann lachte sie.
    »Ja, den gibt es ganz sicher. Und es gibt, wenn man so will, auch einen Mr. Li.« Sie schwieg einen Augenblick. »Interessieren Sie sich für sie oder für ihre Bilder? Nicht, daß ich es Ihnen verdenken könnte – sie ist ganz bezaubernd.« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Tut mir leid. Aber Sie sind sehr jung, und Li ist sehr verliebt.«
    Bingo.
    Okay, Neal – denk nach. Wie wäre es mit Grahams Buch, Kapitel drei, Vers fünfzehn: »Sag den Leuten, was sie hören wollen, und sie werden dir glauben. Die wenigsten Leute sind so mißtrauisch wie du und ich. Sie sehen nur die Oberfläche. Wenn die Oberfläche stimmt, hast du gewonnen.«
    Er sah Olivia Kendall in die Augen, was sich immer gut macht, wenn man lügt.
    »Mrs. Kendall«, sagte er, »das sind die schönsten Bilder, die ich je gesehen habe. Ihre Schöpferin kennenzulernen würde mich sehr glücklich machen.«
    Sie war Kunstliebhaberin, und darauf hoffte er. Sie wollte glauben, daß ein junger Mann Kunst so faszinierend finden konnte, daß er die Künstlerin kennenlernen wollte. Er wußte, daß es weniger mit ihrer Wahrnehmung von ihm, sondern mit ihrer Wahrnehmung von sich selbst zu tun hatte.
    »Sie sind süß«, sagte sie, »aber leider haben wir schon etwas vor. Genau gesagt wird Lan heute abend Chinesisch kochen.«
    »Ich bringe meine eigenen Stäbchen mit…«
    »Im Ernst, wer sind Sie?«
    »Das ist eine schwierige Frage.«
    »Sollen wir mit einer einfacheren anfangen? Wie heißen Sie?«
    Auch das ist nicht so einfach, wie du denkst, Olivia. Meine Mutter hat mir den »Neal« gegeben, und dann haben wir uns irgendwie auf »Carey« verständigt.
    »Neal Carey.«
    »Das war doch schon nicht schlecht. Und was tun Sie, Neal Carey, wenn Sie sich nicht gerade selbst zum Essen einladen?«
    »Ich studiere an der Columbia University.«
    »In…«
    »New York.«
    »Ich meine, in welchem Fach?«
    »Kunstgeschichte«, sagte er und bereute es sofort. Was für ein dummer Fehler, dachte er, wenn man bedenkt, daß alles, was du über Kunstgeschichte weißt, auf dem Spiralblock in deiner Tasche steht. Joe Graham würde sich für dich schämen. Egal, zu

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