Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
Philister wie du versucht, so wie Crowe zu werden, aber findest du nicht, daß du übertreibst?«
»Crowe, wie fändest du es, einen Flüchtigen zu beherbergen?«
»Probleme mit dem Gesetz?«
»Möglicherweise suchen die Cops nach mir.«
Crowe grinste breit und schaltete hoch. »Ein Flüchtiger sucht Zuflucht in Crowes Nest! Und wir dachten, die Sechziger wären vorbei! Was tust du da?«
Neal kauerte sich auf den Wagenboden. »Ich verstecke mich. Zumindest bis wir über die Brücke sind.«
»Irre.«
Crowes Nest nahm das oberste Stockwerk eines dreistöckigen Hauses auf dem Telegraph Hill ein; man konnte die Bay sehen.
»Von hier aus«, erklärte der Künstler, »ist es für Crowe ein schöner Spaziergang, die Cafes, Bistros, Dim-Sum-Verkäufer und italienischen Restaurants zu besuchen, die zur Qualität von Crowes Existenz beitragen.«
Neal setzte sich in einen Regiestuhl, der neben einer riesigen Skulptur stand, die aus den Überresten eines 1962er Plymouth Valiant bestand, dessen Auspuffrohr auf eine beeindruckend phallische Weise hochgereckt war. An den Wänden hingen Masken – afrikanische Masken, chinesische Opernmasken, Harlekin-Masken, sogar Hockey-Torhütermasken. Die Wände, der Teppich, die Möbel waren hellweiß.
»Das monochromatische Farbsystem macht Crowe noch auffälliger«, sagte Crowe. »Und jetzt wasch dich bitte, sonst besudelst du die schneeweiße Reinheit deiner Anwesenheit und, wie ich hinzufügen darf, der Umgebung.«
Neal duschte lange und heiß, rubbelte alle Spuren des schwarzen Make-ups, des Matsches und des Schweißes weg. Dann wickelte er sich in eines von Crowes großen weißen Handtüchern und entdeckte, daß Crowe ihm einen weißen Bademantel hingelegt hatte.
Noch überraschender fand er, daß Crowe in der Zwischenzeit Frühstück gemacht hatte: French Toast auf texanische Art, Grapefruit, Kaffee und Champagner. Crowe bedeutete Neal, sich an den Tisch unter dem Panoramafenster zu setzen. Weißes Tischtuch, weiße Leinenservietten.
»Ich wußte nicht, daß du kochen kannst«, sagte Neal.
»Du wußtest auch nicht, daß Rubens malt.«
»Interessanter Tisch.«
»Natürlich. Neunzehnfünfundfünfziger Renault-Getriebe mit Windschutzscheibe.«
»Trinkst du immer Champagner zum Frühstück?«
»Jeden Tag, seit Amerikas Firmen Crowes Genie erkannt haben.«
»Der Toast ist großartig.«
»Wenn Crowe kreiert, kreiert er Großes.«
»Was willst du über meine Situation wissen, Crowe?«
»Nur, wie ich helfen kann.«
»Das tust du.«
»Dann ist es das, was ich wissen will.«
Nach dem Frühstück fuhr Neal mit dem Taxi ins Hopkins. Er hoffte, daß, wer immer auch versucht hatte, ihn zu erschießen, ihn nicht mit dem Hotel in Verbindung bringen konnte, und selbst wenn, nicht versuchen würde, ihn ausgerechnet dort niederzumetzeln. Er mußte einen Anruf machen und seinen Krempel packen.
Er mußte mit Graham reden. Er wählte dessen Nummer, ließ es dreimal klingeln, legte auf. Er wartete dreißig Sekunden, dann wählte er noch mal.
Graham ging nicht ran. Levine ging ran.
»Wo ist Graham?« fragte Neal.
»Neal Carey, mein Lieblings-Versager!«
»Wo ist Graham?«
»Bei sich daheim. Vielleicht liegt er gerade besoffen quer über einem Tisch im Pub. Ich kümmere mich um seine Fälle.«
»Ich rede nur mit Graham.«
»Er wäre sicher sehr gerührt, Arschgesicht, aber er hat Urlaub. Du wirst mit mir reden.«
Urlaub? Neal kannte Graham seit über zehn Jahren, und er hatte ihn noch nie einen Tag Urlaub nehmen sehen. »Machst du Witze?« hatte Graham ihn gefragt. »Mein Job besteht aus lügen, stehlen, tricksen. Wie könnte ich mehr Spaß haben?«
»Neal? Neal, Schätzchen?« sagte Levine. »Warum rufst du an? Hast du schon alles versaut? Vielleicht hast du Pendleton bezahlt, damit er in Frisco bleibt, und die Nutte zu AgriTech geschickt?«
Irgendwas stimmt hier nicht, dachte Neal. Irgendwas stimmt ganz und gar nicht. Sei jetzt bloß vorsichtig.
»Ich habe sie noch nicht mal gefunden«, sagte Neal. »Er ist nicht da, wo ihr gesagt habt, daß er ist.«
»Neal, du würdest deinen eigenen Arm nicht mehr finden.«
Witzig, Ed. Und das von einem Typen, der Joe Graham mal einen Handschuh zu Weihnachten geschenkt hat.
»Wo ist Graham?« fragte Neal wieder.
»Guter Gott, hör auf damit. Was ist er, deine Mami? Nachdem er nach England fliegen mußte, um deine Windel zu wechseln, hat er sich entschieden, mit der Fähre weiterzufahren und seine Vorfahren zu besichtigen. Im
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