Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
das durch das große Fenster kam, sah sie irreal aus, außerirdisch – sie hatte nichts zu tun mit der profanen Realität, den Jobs, der langweiligen Moral. Sie wurde Teil eines magischen Abends, eines anderen Lebens – einer Welt, in der er sich verlieren wollte, er wollte mit ihr in den Nebel der Spiegel entschweben. Er befahl sich, aufzustehen, auszusteigen, aber sie hieß ihn bleiben, hielt ihn im Whirlpool, gefangen im Strudel.
Er beugte sich vor, um sich ein wenig Wasser ins Gesicht zu sprengen und hörte kaum das Zischen der Kugel, die seinen Kopf verfehlte und in die Mauer des Hauses einschlug.
Er tauchte unter Wasser.
4
Angst macht wach.
Man kann sich das Hirn mit exotischen Drinks und guter echter Lust vernebeln, aber wenn man ein bißchen Terror dazu gibt, wird es wieder wach. Adrenalin ist eine wunderbare Sache.
Neal dachte schon nach, als er untertauchte. Es war laut hier unten, die Luftblasen lärmten, aber er konnte trotzdem Li Lan wegrennen hören, nicht weggehen, und er konnte einen Wagen aus der Einfahrt herausfahren und die Straße herunterbrausen hören. Er nahm an, das waren entweder seine Gastgeber oder seine Möchtegern-Mörder oder beide zugleich.
Er hatte es nicht eilig, an die Oberfläche zu kommen, nur für den Fall, daß der Killer immer noch durch das Okular schaute und auf ihn wartete. Neal mußte sich zusammenreißen, um sich an die Oberfläche treiben zu lassen, toter Mann, Hinterkopf aus dem Wasser. Er lag da, hielt den Atem an und versuchte, sich nicht eine zweite Kugel vorzustellen, die in seinen Kopf knallte und Knochen, Blut und Hirn verspritzte.
Er hatte die Kugel nicht das Gewehr verlassen hören, also mußte ein Schalldämpfer benutzt worden sein, aber er hatte sie voll in die Mauer knallen hören. Das kann man nicht dämpfen. Deswegen vermutete er, daß der Schütze nicht lange bleiben oder die Leiche checken würde. Aber man weiß nie… Der Schütze konnte sich gerade nähern, langsam und vorsichtig, diesmal mit einer Pistole, um den Coup de grâce abzuliefern. Neal wußte, er würde ihn im Lärm des Jacuzzi nie hören, nie den Schuß hören, der ihn töten würde.
Er lag so still er konnte im Wasser, hoffte, daß, wenn der Schütze noch da war, er ihn aus einiger Entfernung betrachtete, von wo aus er nicht sehen konnte, ob Blut im Wasser war oder nicht. Er hielt den Atem an, noch eine Minute, nur noch eine Minute, dann würde er auftauchen.
Sie hat mich reingelegt, dachte er, als der Schmerz in seinen Lungen zunahm. Reingelegt in den Jacuzzi, das perfekte Ziel. Aber, warum? Ich muß sie finden und fragen.
Er ließ seinen Kopf wieder unter Wasser sinken und tauchte zum anderen Ende des Pools. Er rollte sich zweimal in die Richtung, aus der der Schuß gekommen war, dann preßte er sich gegen den Zaun. Er zwang sich, langsam bis fünf zu zählen, durchzuatmen, dann krabbelte er auf allen vieren zu der Glasschiebetür, öffnete sie und warf sich hinter das Sofa.
Sein Haupt prickelte, die Nadeln der Angst stachen zu.
Es war still. Okay. Abtrocknen, anziehen, los. Herausfinden, ob ich allein im Haus bin.
Die ersten paar Stufen. Er richtete sich auf und ging am Fenster vorbei. Er sah hinter dem Frühstückstresen nach, dann im Flur, in den Schlafzimmern, in den Bädern. Er war allein. Wohin waren alle seine netten neuen Freunde verschwunden? Warteten sie irgendwo, daß das Blut aus dem Filter-System verschwände? Nicht dumm, ihn im Jacuzzi zu erschießen. Weniger aufzuwischen.
Sie waren so gottverdammt zuversichtlich, daß sie seine Klamotten im Gäste-Schlafzimmer gelassen hatten, wo er sie ausgezogen hatte. Seine Tasche auch. Das fand er merkwürdig. Warum hatten sie sein Zeug nicht mitgenommen und weggeworfen? Vielleicht wollten sie es zusammen mit der Leiche loswerden.
Er sah in die Tasche. Sie hatten sie offensichtlich durchsucht, aber nichts herausgenommen. Sein ganzes Einbrecher-Zeug, sein Buch, selbst die zwei Mille Bargeld waren da. Merkwürdig, aber wahr.
Er schnappte sich ein Handtuch aus dem Badezimmer und trocknete sich ab. Was würde Graham mir raten, fragte er sich selbst. Einfach. Er würde sagen, ich sollte verdammt noch mal abhauen, mich verstecken, um Hilfe rufen. »Kein Job ist so wichtig«, hatte der Zwerg ihm mehr als einmal gesagt, »daß man dafür sterben sollte. Glaub mir, Sohn, der Klient würde das auch nicht tun.« Das war keiner seiner üblichen Scherze, sondern eine einfache Anweisung: Rette deinen Arsch.
Also sollte er
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