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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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und trotzte nicht nur den Winden, die von den Bergen her durch die Ebene fuhren, sondern auch dem Regen, der von Südosten heranzog und ein erster Vorbote des Monsuns war, der schon bald über den indischen Subkontinent hereinbrechen würde. Wenn die ›Kamal‹ ihr Ziel bis dahin nicht erreicht hatte, war kein Weiterkommen möglich.
    Infolge des schweren Regens blieb das Luftschiff zwei Tage am Boden. Am 23. Mai endlich setzte es die Reise fort und überquerte die Grenze des von den Briten besetzten nördlichen Afghanistan. Von da an befand es sich - jedenfalls nach Abramowitschs Verständnis - über feindlichem Territorium. Man mied die Städte und großen Siedlungen und hielt sich nördlich von Kabul, um schließlich über den Khaibar Pass und an den Ausläufern des Hindukusch entlang nach Vorderindien vorzustoßen. Je weiter es nach Osten ging, desto mächtiger wurden die Erhebungen und desto höher musste Balakow das Luftschiff steuern. Entsprechend kälter wurde es, sodass das Ölzeug und die wollene Unterkleidung schon bald kaum noch ausreichten. Die Mützen wurden übergezogen, aber auch sie boten nur unzureichend Schutz vor den niedrigen Temperaturen in luftiger Höhe. Sarah fror erbärmlich und hätte manches darum gegeben, ihre Jacke aus fellgefüttertem Leder bei sich zu haben, aber kein Wort der Klage kam ihr über die Lippen.
    Am achtundzwanzigsten Tag der Reise bewältigte die ›Kamal‹ die rund einhundert Meilen betragende Distanz zwischen Pathankot und Rampur. Rampur war, wie Abramowitsch aus den Dossiers seiner Abteilung zu berichten wusste, die Hauptstadt der Bergprovinz Bashar, die zumindest auf dem Papier vom britischen Empire unabhängig war, deren Radscha aber, wie Abramowitsch abschätzig hinzufügte, freundschaftliche Beziehungen zur Kolonialverwaltung pflegte. Da Rampur die letzte bedeutende Siedlung vor der Grenze war und regen Handel mit dem benachbarten Tibet trieb, brachte Balakow das Luftschiff dennoch in unmittelbarer Nähe der Stadt zur Landung, um noch einmal Wasser und Vorräte zu fassen, ehe die Expedition in das terra incognita begann. Außerdem wollte man die Dienste eines sirdar in Anspruch nehmen, eines ortskundigen Führers, der das unzureichende Kartenmaterial ergänzen helfen sollte.
    Das Auftauchen eines Fluggeräts, das noch dazu so riesig war wie die ›Kamal‹, löste unter den Einwohnern Rampurs einen Aufruhr aus.
    Auf einer sanft abfallenden Wiese, die südlich der über dem Fluss Sutlej thronenden Siedlung lag, brachte Balakow das Luftschiff zur Landung. Die beiden Anker wurden geworfen, und mit der Routine der täglichen Übung glitten Dimitri und Pjetr, die beiden Matrosen, an den Seilen hinab, um die Gondel zu sichern. Hin und wieder hatte - sehr zum Missfallen des alten Ammon - auch Ufuk schon an dem waghalsigen Prozedere teilgenommen, das mit jeder Landung einherging. An diesem Tag hatte el-Hakim es ihm untersagt - wie sich herausstellen sollte, in weiser Voraussicht.
    Denn kaum hatte der erste der beiden Matrosen den Erdboden erreicht, traf ihn auch schon ein Stein, den ein Stadtbewohner geworfen hatte - und es blieb nicht der Einzige!
    Ein ganzer Hagel faustgroßer Geschosse ging auf die beiden Männer nieder, die ihnen nur deshalb nicht gefährlich wurden, weil sie sich rasch hinter einen großen Felsen flüchteten. Eine Meute aufgebrachter Stadtbewohner tauchte auf, die meisten von ihnen Inder, aber auch einige gedrungene Pahari, wie die Bewohner der Bergregionen genannt wurden. Wofür auch immer sie das Luftschiff und seine Besatzung halten mochten: dass sie ihm nicht freundlich gesonnen waren, war unschwer festzustellen.
    »Gekaufte Idioten«, maulte Abramowitsch. »Vermutlich steht jeder Einzelne von diesen zerlumpten Teufeln in britischen Diensten.«
    »Das glaube ich weniger«, meinte Hingis, der neben ihm an der Reling stand und auf die Meute hinunterblickte. Sie konnten von Glück sagen, dass die Leute nicht in der Lage waren, ihre Steine so weit zu werfen, dass sie die Gondel erreichten. Und über Schusswaffen schienen die Einwohner von Rampur glücklicherweise nicht zu verfügen. »Offen gestanden, sieht es mir eher aus, als würde man uns für Ausgeburten der Hölle halten«, fügte der Schweizer mutmaßend hinzu.
    »Uns?« Der Russe schaute ihn verständnislos an.
    »Nun ja, was würden Sie denken, wenn Sie in einem Dorf am Rand der bekannten Welt leben und auf einmal ein riesengroßes fliegendes Etwas aus dem Himmel herabsinken

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