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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Verstand. Und der sagt mir, dass wir nicht den Hauch einer Chance haben, diesen Kampf zu überstehen. Wir sollten uns also vorläufig ergeben und ...«
    »Das kommt nicht in Frage! Ein Offizier der russischen Armee ergibt sich nicht!«
    Sarah seufzte. Sie hatte markige Worte wie diese schon früher gehört. Damals freilich war es Captain Stuart Hayden gewesen, ein Angehöriger des königlich-britischen Husarenregiments, der sie gesprochen hatte. Und Sarah sagte sich, dass die Unterschiede zwischen den Angehörigen der russischen und jenen der britischen Armee trotz der erbitterten Gegnerschaft bemerkenswert gering waren.
    Noch war kein Schuss gefallen.
    Aus irgendeinem Grund schienen sowohl Abramowitsch als auch der havildar noch zu zögern. Ein letzter, stiller Augenblick der Vernunft, ehe die Waffen sprechen und die Eigendynamik des Krieges jede Verständigung unmöglich machen würde.
    Plötzlich geschah etwas Unerwartetes.
    Abramowitsch ließ, sehr zu Sarahs Erstaunen, die Waffe sinken. Dabei hatte er einige russische Worte auf den Lippen, die sich nach einer üblen Verwünschung anhörten.
    »Also schön«, rief er dann laut. »Wir ergeben uns! Aber unter entschiedenem Protest!«
    »Wie das?«, fragte Sarah von der Seite.
    »Ich möchte nicht darüber sprechen«, stellte der Russe klar, und Sarah fragte auch nicht weiter. Sie war nur froh darüber, dass die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung fürs Erste gebannt war, und Hingis, Ufuk und el-Hakim, dem sein junger Diener alle Vorgänge flüsternd beschrieben hatte, schienen ihre Erleichterung zu teilen.
    Auch die Soldaten des Radschas schienen damit zufrieden. Die eine Hälfte blieb dennoch mit den Musketen im Anschlag zurück, während sich der Sergeant mit den übrigen vier Männern dem Landeplatz näherte.
    »Herabsteigen und mitkommen«, befahl er einmal mehr, und diesmal gab es keinen Widerspruch.
    Die Strickleiter wurde entrollt und zum Boden hinabgelassen. Der Erste, der das Luftschiff verließ, war Igor; es folgten Abramowitsch, Hingis und Sarah. Die Mienen, mit denen die Soldaten sie in Empfang nahmen, waren so grimmig, dass sich Sarah insgeheim fragte, ob es eine gute Idee gewesen war, sich zu ergeben. Aber hatten sie die Wahl gehabt?
    »Was wird mit uns geschehen?«, fragte sie den Sergeanten.
    »Radscha wird entscheiden. Sind sein Eigentum, ebenso wie großer Ballon. Darf verfahren, wie beliebt ...«
    »Das sind ja keine sehr ermutigenden Aussichten«, kommentierte Hingis halblaut. »Ich will hoffen, dem Radscha ist an guten Beziehungen zum Empire gelegen, ansonsten könnte dies ziemlich unangenehm für uns werden.«
    Schon bei früheren Gelegenheiten hatte sich der Schweizer als wahrer Meister der Untertreibung erwiesen, selten jedoch hatte er die Lage mehr beschönigt als in diesem Augenblick. Sie waren der Gnade eines Mannes ausgeliefert, der nicht nur dem Alkohol verfallen schien, sondern auch mit totalitärer Strenge über sein kleines Reich gebot. Wenn die Verhandlungen nicht nach seinen Vorstellungen verliefen oder die Kolonialverwaltung ein entsprechendes Lösegeld zahlte - und warum sollte sie? -, dann würden sie womöglich alle in einem dunklen und zugigen Kerker enden ...
    Inzwischen ließ sich das nächste Besatzungsmitglied an der Strickleiter herab - es war Hieronymos.
    Mit einer Behändigkeit, die einem Koloss seiner Größe kaum zuzutrauen war, glitt der Zyklop zu Boden und nahm die letzten Yards im Sprung. Als er sich wieder zu seiner vollen Größe aufrichtete und den Soldaten zuwandte, reagierten diese auf überraschende Weise.
    Schlagartig hellten sich ihre Mienen auf, und in der Art, wie sie den Zyklopen betrachteten, spiegelte sich Bestürzung ebenso wie spontane Freude.
    »Mig-shár! Mig-shár!«, riefen sie laut, sodass ihr Vorgesetzter aufmerksam wurde. Der havildar kam herbei und zeigte dieselbe Reaktion auf die Gegenwart des Einäugigen. Er sprach einige Worte auf Hindi, die Hieronymos zu Sarahs größtem Erstaunen erwiderte.
    »W-was sagt er?«, wollte sie wissen.
    »Dass sie geehrt sind, mich zu sehen.«
    »D-du sprichst ihre Sprache?«
    »Ein wenig.«
    »Warum hast du das nie erwähnt?«
    »Es schien mir nicht wichtig«, gab Hieronymos mit einiger Endgültigkeit bekannt.
    Noch ehe Sarah und ihre Begleiter recht begriffen, was geschah, warfen der Sergeant und seine Soldaten sich vor dem Einäugigen zu Boden und huldigten ihm, was dieser mit Gleichmut zur Kenntnis nahm. Als sie sich wieder erhoben, war die

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