Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
sehr anmerken zu lassen, gelang es ihm nicht ganz. Er hatte Bombay nie gemocht. Für Europäer war die Stadt, die nach dem örtlichen Kult der Göttin Mumba benannt war, ein notwendiges Übel, wenn man das asiatische Hinterland erreichen wollte, aber Lemont hatte dem riesigen, dampfenden und aus jeder Pore schwitzenden Moloch noch nie etwas abgewinnen können, in dem sich Inder, Briten, Chinesen, Juden, Araber und Perser ein ebenso buntes wie lärmendes Stelldichein gaben. Vielleicht, weil es ihn an New Orleans erinnerte ...
    »Danke, die Überfahrt war sehr angenehm«, entgegnete er und erwiderte die unterwürfige Geste des Babu mit einem wohlwollenden Nicken. »Wurde alles wie gewünscht vorbereitet?«
    »Gewiss, Sahib«, antwortete der Bedienstete beflissen, der einen Turban und die weiße Kleidung der Kolonialverwaltung trug. »Im Bengala-Hotel wurden wie von Ihnen gewünscht fünf Zimmer reserviert. Die ticca ghari 25 , die am Kai auf Sie wartet, wird Sie und Ihre Begleiter dorthin bringen, sodass Sie sich von der langen Reise erholen können.«
    »Und die Weiterreise?«, erkundigte sich Lemont, der kein Verlangen danach verspürte, auch nur einen Tag länger als unbedingt nötig in Bombay zu verweilen.
    »Alles wurde nach Ihrem Wunsch avisiert, Sahib«, versicherte der Babu, wobei er sich abermals verbeugte. »Schon übermorgen verlässt ein Zug der Indischen Eisenbahn die Viktoria Station und wird Sie über Agra nach Delhi bringen.«
    »Gut, sehr gut«, erwiderte Lemont leise.
    Alles verlief genau nach Plan.

 
Z WISCHENBERICHT
I N DEN L üften

A NMERKUNG :
     
    Über den Verlauf der Reise im Luftschiff existieren keine Tagebucheinträge Lady Kincaids; ob dies den beengten und überaus spartanischen Raumverhältnissen im zaristischen Aerostat zuzuschreiben ist, die das Führen eines Logbuchs unmöglich gemacht haben, oder ob die Aufzeichnungen im Zuge der nachfolgenden, überaus dramatischen Ereignisse verloren gegangen sind, entzieht sich unserer Kenntnis. Um dem Leser dennoch einen möglichst lückenlosen Eindruck von den Entbehrungen und Gefahren der abenteuerlichen Luftfahrt zu geben, wurde daher versucht, den Reiseverlauf aufgrund späterer Berichte und Zeugenaussagen authentisch zu rekonstruieren.
     
    Der Verfasser.

1.
     
    Das Gefühl, das Sarah Kincaid empfunden hatte, als die Haltetaue gekappt und die Ballastsäcke gelöst worden waren und das Luftschiff endlich seinem Bestimmungsort entgegenschwebte, war unbeschreiblich gewesen: ein Anflug von Euphorie, wie sie ihn lange nicht mehr verspürt hatte. Bar aller Fesseln, war das Luftschiff aufgestiegen, hatte den Kriegshafen und die tristen Ruinen Sewastopols hinter sich gelassen und war in ein Reich vorgedrungen, das bislang den Kreaturen des Himmels vorbehalten gewesen war. Ein alter Traum erfüllte sich, als Kapitän Balakow die Anweisung gab, die Maschine anzuwerfen und Kurs Ost-Südost anzulegen, denn zum ersten Mal war ein Fluggerät, das der Mensch ersonnen und gebaut hatte, nicht den Launen des Windes ausgesetzt, sondern in der Lage, sich aus eigener Kraft zu bewegen. Und indem sich das Heckruder knarrend gegen die Brise stemmte, hatte das Vehikel Fahrt aufgenommen und bewiesen, dass Abramowitsch nicht übertrieben hatte: Russland befand sich tatsächlich im Besitz eines funktionierenden Luftschiffs!
    Während Balakow und seine Leute nicht das Verlangen zu haben schienen, ihrem denkwürdigen Fortbewegungsmittel einen Namen zu geben, hatte Sarah dies in Gedanken längst getan und es nach demjenigen Menschen benannt, um dessen Liebe willen sie all dies auf sich nahm.
    Kamal.
    Wann auch immer eine Bö das Schiff erfasste und es zum Spielball von Kräften machte, gegen die sich alles menschliche Tun verschwindend gering ausnahm, brauchte sie den Namen nur vor sich hin zu flüstern, um wieder neuen Mut zu fassen und darauf zu vertrauen, dass die Konstruktion sie nicht im Stich lassen, sondern sie allen Naturgewalten zum Trotz ans Ziel der Reise bringen würde.
    El-Hakim und Ufuk vertrauten auf die Vorsehung und meisterten die Fährnisse, die die Luftreise dem menschlichen Organismus auferlegte, mit bewundernswerter Leichtigkeit - anders als Friedrich Hingis, dessen Befürchtungen sich allesamt zu bestätigen schienen. Nicht nur, dass es der Natur des bodenständigen Schweizers zutiefst zuwiderzulaufen schien, den Erdboden zu verlassen, es hatte auch Auswirkungen auf seine Verdauung und hinterließ unübersehbare Spuren in seinem Gesicht, die von

Weitere Kostenlose Bücher