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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ihm so zugesetzt, dass er dazu nicht mehr in der Lage war. Schwerfällig sank er auf die Kissen zurück, und es bedurfte zweier kräftiger Diener, ihn hochzuwuchten und so auf die Beine zu stellen, dass er nicht gleich wieder umkippte. Mit einem Grunzen bedeutete er Sarah und jedem, den es sonst noch interessierte, ihm zu folgen. Sie verließen den von Säulen gesäumten Speisesaal und betraten einen Gang, der mit zahlreichen Wandgemälden versehen war. Sarah erblickte Darstellungen Schiwas und anderer Gottheiten aus dem Pantheon der Hindus.
    Vor einem der Gemälde, das vom Licht einer Fackel flackernd beleuchtet wurde, blieb der Radscha stehen. »Deswegen«, sagte er lallend und deutete mit den beringten Fingern auf das Bild. »Deswegen wissen wir, wer Mig-shaér ist.«
    Sarah, Hingis und Ufuk folgten seinem Hinweis und betrachteten das Bild - das einen Einäugigen zeigte.
    Da der Kopf vergrößert dargestellt war, um die Wichtigkeit der Figur zu betonen, war das eine Auge unübersehbar. Einem König gleich, saß der Zyklop auf einem Thron, während die Menschen ihm huldigten. Offenbar, folgerte Sarah, hatten nicht nur die Bewohner des fernen Skythenlandes die Einäugigen als Gottheiten verehrt, sondern auch jene der indischen Bergprovinzen, was die Gemeinsamkeit in der Bildsymbolik erklärte.
    »Dieses Gemälde«, erläuterte der Radscha lallend, »ist vor mehr als dreihundert Jahren entstanden. Einer meiner Ahnen ließ es anfertigen, Mig-shár zu Ehren, der unser Volk besucht hatte. Ein ganzes Jahr lang blieb er bei uns, ehe er sich entschloss, uns wieder zu verlassen. Vorher jedoch versprach er, dereinst zurückzukehren und uns an seinem Sieg teilhaben zu lassen.«
    »Ich verstehe«, sagte Sarah, die interessiert zugehört hatte. Brachte man die Geschichte mit dem zur Deckung, was sie von Hieronymos erfahren hatten, so war anzunehmen, dass sich ein Zyklop auf der Flucht vor den Schergen der Bruderschaft in Rampur versteckt hatte. Von den Einwohnern der Stadt war die Begegnung als so einschneidend empfunden worden, dass sie die Erinnerung daran auf Bildern festgehalten und über Jahrhunderte gepflegt hatten. Hieronymos hingegen hatte noch nicht einmal etwas von seinem Vorfahr gewusst. Vielleicht, weil dieser schon wenig später von den Agenten der Bruderschaft entdeckt und getötet worden war?
    »Das ist unglaublich, ganz unglaublich«, pflichtete Hingis beflissen bei. Der Radscha bedachte zuerst ihn, dann Sarah und schließlich Abramowitsch, der sich der Gruppe ebenfalls angeschlossen hatte, mit einem abschätzigen Blick.
    »Warum wollen Unwissende wie ihr nach Tibet?«, erkundigte sich der Herrscher von Bashar dann rundheraus.
    »Um Erleuchtung zu suchen«, entgegnete Sarah diplomatisch.
    »Und ihr seid bereit, euer Leben dafür zu riskieren?«
    »Unser Leben?«, fragte Hingis. »Wieso das?«
    Der Radscha lachte leise und verächtlich. »Habt ihr euch nie gefragt, weshalb Tibet das ›verbotene Reich‹ genannt wird? Es ist Europäern unter Androhung der Todesstrafe untersagt, in das Land einzureisen. Die Straße jenseits des Shipki-La ist gesäumt von den Gebeinen derer, die dieses Verbot missachtet haben.«
    »T-tatsächlich?« Hingis' Brille beschlug.
    »Ganz sicher«, meinte Abramowitsch, »handelt es sich bei diesen Geschichten um Schauermärchen, die man erzählt, um arglose Fremde zu erschrecken.«
    »Keineswegs. Die Priester, die wie Könige über das Land herrschen, hüten ihre Geheimnisse mit der Eifersucht eines alten Weibes.« Der Radscha lachte heiser. »Fremde, die in ihr Land kommen und Erleuchtung suchen, werden nichts als Tod und Verderben finden.«
    »Auch dann, wenn Mig-shár uns begleitet?«, fragte Sarah.
    Der Radscha von Rampur starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren, die Schnapsröte wich schlagartig aus seinen Zügen. »Was?«, hauchte er tonlos.
    »Wie Exzellenz wissen, steht unsere Expedition unter dem Schutz von Mig-shár«, brachte Sarah in Erinnerung. »Womöglich hat sein Wort auch in Tibet Gewicht.«
    »Möglicherweise«, gestand der Radscha ihr zu. »Aber dazu wird es nicht kommen.«
    »Weshalb nicht?«
    »Weil Mig-shár nach langer Zeit wieder nach Rampur zurückgekehrt ist und uns niemals wieder verlassen wird.«
    »Was? Aber ...«
    »Das kommt nicht in Frage!«, polterte Abramowitsch dazwischen, noch ehe sich Sarah eine angemessene Erwiderung zurechtlegen konnte. »Der Einäugige ist ein Teil unserer Besatzung!«
    »Das war er, vielleicht, obwohl ich auch das

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