Das Licht von Shambala
haben einen kriegerischen Akt begangen!«
»Und?« Abramowitsch zuckte mit den Schultern. »Diese Leute halten uns für Briten, also werden sie denen die Schuld dafür geben. Außerdem brauchen wir einen ortskundigen Führer, wenn wir auf die andere Seite der Berge gelangen wollen.«
»Was ist mit dem Zyklopen?«
»Ich traue dieser Missgeburt nicht. Zudem hat er sich für meinen Geschmack ein wenig zu gut mit dem Radscha verstanden.«
»Aber wir können keine zusätzliche Person mit an Bord nehmen«, wehrte Balakow ab. »Zusammen mit den Vorräten und dem Frischwasser, die wir an Bord genommen haben ...«
»Das werden wir auch nicht«, versicherte Abramowitsch gelassen.
»Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass nicht alle Mitglieder der ursprünglichen Besatzung die Reise fortsetzen werden.«
»Sie wollen jemanden zurücklassen? Wen?«
»Offen gestanden, würde mich das auch interessieren.«
Sowohl Balakow als auch Abramowitsch fuhren herum - um sich keiner anderen als Sarah Kincaid gegenüberzusehen, die vor ihnen stand, die Arme energisch in die Hüften gestemmt und einen vorwurfsvollen Ausdruck im Gesicht. Ihre Brust hob und senkte sich unter raschen Atemzügen vom schnellen Laufen.
»Ich werde das nicht diskutieren«, verkündete Abramowitsch.
»Was?«, fragte Sarah. »Dass Sie uns die gesamte Garnison von Bashar auf den Hals hetzen und die von Kunawar gleich noch mit? Oder dass Sie vorhatten, uns einfach zurückzulassen?«
»Seien Sie nicht albern! Es widerstrebt mir zwar, es zuzugeben, aber für den Erfolg dieser Expedition sind Ihre Kenntnisse nun einmal unentbehrlich. Ich hätte Sie also noch rechtzeitig vor dem Abflug verständigt.«
»Wie überaus rücksichtsvoll.« Sarah lächelte ohne eine Spur von Heiterkeit. »Da habe ich ja noch mal Glück gehabt. Und was ist mit den anderen? Mit Hingis? Mit Ufuk und dem alten Ammon?«
»Dies ist eine Unternehmung seiner Majestät des Zaren von Russland«, stellte Abramowitsch klar, »und kein Ausflug für halbwüchsige Knaben und Greise.«
»Der halbwüchsige Knabe und der Greis«, knurrte Sarah, »sind ein Teil meiner Mannschaft.«
»Das waren sie. Wir werden sie hier zurücklassen.«
»Nur über meine Leiche.«
»Lady Kincaid.« Nun war es der Russe, der sein Gesicht zu einem freudlosen Lächeln verzog. »Was soll das? Sie kennen die Situation, in der wir uns befinden, genauso gut wie ich. Ohne ortskundigen Führer werden wir es schwer haben, eine Passage nach Tibet zu finden. Da der Radscha uns seinen Neffen nicht freiwillig mitgeben wollte, musste ich also handeln. Und Sie wissen ebenso gut wie ich, dass wir nicht mehr als zehn Personen mitnehmen können. Anstatt mir also Knüppel zwischen die Beine zu werfen, sollten Sie mir danken, dass ich das Problem aus der Welt schaffe, ohne dass Sie sich Ihren hübschen Kopf darüber zerbrechen oder gar ein schlechtes Gewissen bekommen müssen.«
»Mein Kopf, Hauptmann, geht Sie gar nichts an«, konterte Sarah, »ebenso wenig wie mein Gewissen. Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie Sie jemanden gewaltsam entführen und dafür zwei meiner Leute zurücklassen. Ist Ihnen nicht klar, was den beiden passieren wird, wenn der Radscha erfährt, dass sein Neffe verschleppt wurde?«
»Mein Auftrag ist es, Probleme zu lösen, Lady Kincaid«, antwortete Abramowitsch kaltschnäuzig, »nicht, mir mit immer neuen den Tag zu verderben. Ich bin ein Mann der Tat und kein Denker wie Sie.«
»Das ist nicht zu übersehen«, schnaubte Sarah - und handelte so schnell, dass keiner der Russen dazu kam zu reagieren.
Schon während des Wortwechsels mit Abramowitsch hatte sie sich Dimitri genähert, der an einem der Ankertaue stand und Wache hielt. Dabei hatte sie sich so unsicher und ziellos bewegt, dass niemand Verdacht geschöpft hatte. Nun jedoch fuhr sie herum, packte die Waffe, die der Matrose in seinen Händen hielt, und entwand sie ihm mit einem beherzten Griff. Das Berdan-Gewehr flog wie von selbst in den Anschlag. Es durchzuladen und auf Abramowitsch zu richten kostete Sarah nur einen Augenblick.
»Was soll das?«, fragte der Russe. Es klang nicht erschrocken, eher verärgert.
»Lassen Sie den Jungen frei«, verlangte Sarah. »Sofort!«
»Das kann ich nicht.«
»Und wieso nicht?«
»Weil er tief und fest schläft«, erklärte der Ochrana-Agent ungehalten. »Der Wodka, den ich dem Radscha vermacht habe, war eine Spezialabfüllung meiner Abteilung. Und da er seinen Neffen reichlich davon trinken ließ
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