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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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zog Sarah das Sicherungsseil enger, das sie sich wie die anderen Besatzungsmitglieder um die Hüfte geschlungen hatte, und ging dann ebenfalls hinter der Bespannung in Deckung, die inzwischen schon erste Beschädigungen aufwies. Nicht mehr lange, und der Kanvas würde reißen. Was dann mit der Takelage und dem Auftriebskörper geschah, darüber wollte sie lieber gar nicht nachdenken.
    Sie hörte das Zischen der Ventile, als Balakow heiße Luft entließ, um tiefer zu gehen, und die Stimme von el- Hakim, die trotz des Windes und des Kreischens der Vögel deutlich zu vernehmen war. Und als gäbe es keinen Sturm und keine Bedrohung, hörte sich der Alte unbeschwert und leicht an, wie eine Feder im Wind, während er den nur zu bekannten Text zitierte:
     
    Denn über den Bergen, den hohen,
    die nur des Vogels Flug übersteigt,
    leben die Krieger, die Arimaspen,
    im Zeichen des Einen Auges ...
     
    Die Frage, ob Aristeas womöglich von diesen Dingen gewusst, ob seine Ode in Wahrheit keine Beschreibung vergangener Ereignisse, sondern womöglich eine Prophezeiung gewesen war, schoss Sarah durch den Kopf - es war der letzte Gedanke, den sie bewusst fasste. Denn im nächsten Moment geriet die ›Kamal‹ in den Pulk der Vögel.
    Auf einen Schlag war das Schiff von Schwärze umgeben und ein ohrenbetäubendes Kreischen und Flattern ringsum zu vernehmen. Nicht nur Sarah, sondern auch die Männer brüllten laut vor Furcht und Entsetzen, als das gefiederte Verderben hundertfach über sie hereinbrach und mit Krallen und Flügeln schlug. Sarah sah noch, wie sich einige der Tiere in der Takelage verfingen, andere gerieten in die Fänge von Igor und Abramowitsch, die wütend um sich hieben. Andere ließen sich auf der Gondel nieder und beschwerten sie dadurch, was das Sinken des Luftschiffs beschleunigte. Federn und Kot prasselten auf das Deck herab, und Sarah riss schützend die Hände vors Gesicht, in der Hoffnung, dass es nur möglichst rasch enden möge.
    Bereits wenige Augenblicke später war der Ansturm der Tiere tatsächlich vorbei; von Panik getrieben, waren sie weitergezogen. Schlagartig wurde es heller, und Sarah schaute nach oben zum Auftriebskörper der ›Kamal‹. Es kam ihr beinahe wie ein Wunder vor, dass die an einen Fisch erinnernde Form noch weitgehend erhalten war. Natürlich gab es Lecks, doch die Hülle war nicht, wie Sarah befürchtet hatte, in Fetzen gerissen worden. Mit etwas Glück ließ sich der Schaden reparieren.
    Ihre Gefährten schienen ebenso zu denken, denn sie verfielen in lauten Jubel - der allerdings schon im nächsten Moment wieder endete. Denn den Vögeln folgte der Sturm.
    Als die nächste Bö die ›Kamal‹ erfasste, war es, als würde sie von der Faust eines Titanen getroffen. Jäh kippte der Auftriebskörper zur Seite und riss die Gondel mit, die Taue ächzten unter der Beanspruchung. Es war, als hätten sich alle Elemente der Welt auf einen Schlag gegen die Aeronauten verschworen. Selbst die Gesetze der Physik, die eben noch auf ihrer Seite gestanden hatten, schienen sich plötzlich gegen sie zu wenden.
    »Achtung!«, brüllte Ufuk, als sie der Felswand an Backbord gefährlich nahe kamen. Erneut riss Balakow am Ruder, aber die ›Kamal‹ gehorchte den Befehlen ihres Kapitäns nur noch bedingt. Zwar machte das Schiff Anstalten, nach Steuerbord abzudrehen, jedoch wurde es just in diesem Moment von einem weiteren Windstoß erfasst, der es vollends zum Spielball der Naturgewalten machte.
    Ein Blitz fuhr aus dem dunklen Grau der Wolken, das sich inzwischen über den gesamten Himmel verteilt hatte, und verfehlte die ›Kamal‹ nur knapp. Sarah war geblendet vom gleißenden Licht und konnte nicht sehen, was weiter geschah - aber sie konnte es hören. Und was durch den Donner und den peitschenden Wind an ihr Ohr drang, war schrecklich genug.
    Die Konstruktion der Gondel ächzte, ebenso wie die Taue, während das Luftschiff ein um das andere Mal von schweren Stößen erschüttert und hin und her geworfen wurde. Vermutlich, dachte Sarah, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Seile reißen und die Gondel an einem Felshang zerschellen würde.
    Ein grässliches Kreischen, dann erneut ein Blitz, der von tosendem Donner begleitet wurde. Schlagartig setzte prasselnder Regen ein - und plötzlich erklang ein Schrei, der so durchdringend war, dass Sarah die Augen aufriss.
    Chandra!
    Der Neffe des Radschas von Rampur hatte die Sicherheitsleine gelöst und stand an der Reling, war drauf und dran, über

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