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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Eingeweihten erschließt. Doch in diesem Fall sind es namenlose Schrecken, die sich uns offenbaren, denn wir beginnen zu ahnen, woher die Einäugigen stammen, die die Festung Redschet-Pa besetzen.«
    »In der Tat«, stimmte Sarah zu, die schaudernd an das denken musste, was ihre Gefährten und sie in jener unterirdischen Tempelanlage auf der Chersonnes vorgefunden hatten. »Diese Krieger sind so wenig einäugig wie Ihr oder ich, werter Abt, sondern wurden unter Einsatz menschenverachtender Methoden dazu gemacht. Anfangs konnte ich mir nicht erklären, weshalb jemand etwas so Grässliches tun sollte, aber seit ich weiß, welche Bedeutung die Mig-shár für Euer Volk haben, wird es mir allmählich verständlich.«
    »Hier in Tibet sind die Sagen der alten Zeit noch lebendig, Lady Kincaid, und das Einauge ist ein Symbol, das noch weiter in die Vergangenheit reicht als Ihre Religion oder die meine, weiter selbst als der alte Glaube der bon. Sie haben gut daran getan, seiner Spur zu folgen, denn sie hat Sie hierher geführt, ans Ziel Ihrer Reise.«
    »Ans Ziel meiner Reise?« Sarah hob die Brauen. »Wie darf ich das verstehen?«
    »Nun«, entgegnete der Abt, »ich habe Ihnen bereits gesagt, wo sie sich befinden - unweit des Berges Kailash, der nicht nur den bon-po als heilig gilt, sondern auch den Jaina, den Hindus und den Anhängern Buddhas. Die einen verehren ihn als Sitz der Götter, die anderen glauben, dass alle Weisheit hier ihren Anfang nahm. Aber ihnen allen gemeinsam ist die Überzeugung, dass der Kailash ...«
    »... die axis mundi ist«, sprach Sarah flüsternd aus, was sie in diesem Moment dachte. »Der Mittelpunkt der Welt.«
    »Ganz recht.«
    Sarah schickte Hieronymos einen fragenden Blick. »Ist das wahr?«, fragte sie. »Ist unsere Suche zu Ende?«
    »Ja, Mylady.« Der Zyklop nickte.
    »Aber ich dachte, der Berg Meru ...«
    »Die Hindus gehen davon aus, dass alles aus der Geisteswelt in der Materie eine Entsprechung hat. So, wie Sie hinter jedem Mythos einen wirklichen Kern vermuten«, erklärte Abt Ston-Pa.
    »Und der Kailash ist die reale Verkörperung des Meru?«, erkundigte sich Sarah vorsichtig. Noch immer hatte sie sich nicht daran gewöhnt, dass der Mönch tiefe Einsicht in Meister Ammons Geheimnisse genommen hatte und entsprechend vieles wusste.
    »So ist es. Denken Sie nur an die Zeichnung, die sich in dem Würfel befand: ein Berg mit vier Wellenlinien darunter, richtig?«
    »Vier Flüsse«, nannte Sarah ihre Interpretation.
    Ein wissendes Lächeln spielte um die kantigen Gesichtszüge des Abts. »Wären Sie überrascht zu erfahren, dass vier der größten Flüsse, die den gling 47 durchfließen, am Kailash ihren Ursprung haben?«
    Sarahs Empfindungen waren zunächst zwiespältiger Natur. Einerseits war sie froh darüber, dass sie dem Ziel ihrer Reise plötzlich so nah sein sollte, andererseits hatte sie das Gefühl, nichts dazu beigetragen zu haben. Ein Sturm hatte sie hergebracht, die Macht des Zufalls - oder eben doch jene des Schicksals?
    Selbst Hingis, der ewige Skeptiker, war verstummt. Zwar schüttelte er ungläubig den Kopf und nahm seine wieder einmal beschlagene Brille ab, um sie am Saum des Wollmantels zu säubern, aber er schwieg und brachte keinen Einwand vor. Auch Ufuk blieb gelassen. Wahrscheinlich, so nahm Sarah an, hatten der Abt und Hieronymos ihn schon früher in das Geheimnis eingeweiht.
    Erst nach und nach ging ihr auf, was all dies bedeutete. Wenn sie den Meru tatsächlich gefunden hatten, dann womöglich auch Kamal! Vielleicht wurde ihr Geliebter ja in jener alten Burg festgehalten, von der der Abt gesprochen hatte und die die Bruderschaft für sich in Besitz genommen zu haben schien!
    »Wenn die Festung des Vergessens tatsächlich von unseren Feinden besetzt wird«, spann sie ihre Gedanken weiter, »dann bedeutet das, dass Ammon und Hieronymos recht hatten: Auch die Bruderschaft hat das Rätsel des Berges Meru gelöst, sonst wäre sie nicht hier. Aber wie unser einäugiger Freund schon vermutet hat, ist es ihnen bislang nicht gelungen, in den Besitz des dritten Geheimnisses zu gelangen. Es fragt sich nur, weshalb ...«
    »Ich möchte Ihnen einige Geschichten erzählen, meine Freunde«, kündigte Abt Ston-Pa an, »aber ich warne Sie - Ihre Sicht auf die Welt wird danach nicht mehr dieselbe sein.«
    »Glauben Sie mir«, versicherte Friedrich Hingis und setzte seine Brille wieder auf, »das ist auch jetzt schon nicht mehr der Fall ...«
    »Wie Sie vielleicht wissen«, begann

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