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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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an die sie sich zu erinnern glaubte, wuchs ihre Zuversicht, dass sie der Lösung näher kam.
    Wenn sie an Mahasiddha dachte, so sah Sarah eine Frau vor sich, die still und in sich gekehrt war, als wäre sie von großer Traurigkeit erfüllt, von einer Einsamkeit, die ungleich mehr war als das schmerzliche Vermissen menschlicher Gesellschaft. Gerade so, als hätte sie nicht nur das Liebste auf Erden verloren, sondern auch einen Teil von sich selbst.
    »Wir sind da«, erklärte Abt Ston-Pa unvermittelt und riss Sarah aus ihren Gedanken. Sie hatte die Gesteinsformationen, die sie im Lauf der letzten Stunde passiert hatten, nur unterbewusst wahrgenommen; nun jedoch wurde ihr klar, dass sie die graue Felsnadel mit der orangeroten Spitze tatsächlich kannte. Sie erinnerte sich, daran vorbeigekommen zu sein, damals, als sie mit Polyphemos geflüchtet war. Am Fuß des Felsens teilte sich der Weg. Der eine Pfad führte steil bergauf und verschwand zwischen den Felsen, der andere wies nach Südosten.
    »Dieser Fels«, erklärte Abt Ston-Pa, »wird von den Pilgern ›gal-mé kyai so-ma shag‹ genannt - die ›Fackel des neuen Tages‹. Wenn früh am Morgen der erste Sonnenstrahl ins Tal fällt, pflegt er die Spitze hell zu erleuchten und den Bußfertigen die Richtung zu weisen. Hier trennen sich unsere Wege.«
    »Ich verstehe«, sagte Sarah nur. Zu gerne hätte sie die Gesellschaft des Abts und seiner Mönche noch länger geteilt, deren Gegenwart sie als überaus beruhigend und wohltuend empfand. Aber ihr war klar, dass kein Argument stark genug sein würde, um die Mönche von Tirthapuri zum Bleiben zu bewegen; zum einen war ihre Ehrfurcht vor dem heiligen Berg zu groß, als dass sie ihren Fuß darauf gesetzt hätten, zum anderen wollten sie die innere khora durchlaufen und mit der rituellen Umkreisung des Kailash göttlichen Beistand für das Gelingen von Sarahs Mission erflehen.
    »Jener Pfad«, erläuterte der Abt und deutete nach Südosten, »führt nicht nur zum Eingang der khora, sondern auch nach Redschet-Pa. Ob der Wanderer seine Schritte zur Stätte der Buße lenkt oder zum Ort des Vergessens, ist ihm selbst überlassen. Es ist der Scheideweg zwischen Gut und Böse. Von hier an bedürft Ihr unserer Führung nicht mehr, Mahasiddha.«
    »Ich weiß«, erwiderte Sarah, obwohl sie sich keineswegs sicher war. Sie konnte nur hoffen, dass ihre lückenhaften Erinnerungen ihr den Weg zum geheimen Pfad und damit nach Shambala weisen würden. Von hier an, so kam es ihr zumindest vor, waren ihre Gefährten und sie auf sich gestellt, gab es kein Zurück.
    »Vorsicht!«
    Hieronymos' Warnung war verhalten, aber ernst. Sarah, die sich von Abt Ston-Pa verabschieden und ihm für seine treue Hilfe hatte danken wollen, fuhr herum.
    »Was ist?«
    Der Zyklop hatte den Kopf in den Nacken gelegt. Das Lid seines einen Auges war halb herabgezogen. »Wir sind nicht mehr allein«, flüsterte er mit einer Stimme, die sie erschaudern ließ. »Wir werden beobachtet.«
    »Von wem?«, wollte Sarah wissen, während ihre Hand bereits nach dem Griff des Colt Frontier tastete.
    »Von unseren Feinden. Sie sind hier ...«
    Plötzlich war ein sirrendes Geräusch zu hören, das aus dem Steinmeer der umgebenden Felsentürme heranflog - und einer von Abt Ston-Pas Mitbrüdern riss die Arme hoch und ging mit einem erstickten Aufschrei nieder. Er war tot, noch ehe er den Boden berührte. In seiner Brust steckte ein langer gefiederter Schaft.
    »Ein Überfall!«, rief Abramowitsch und riss das Gewehr, das er die ganze Zeit über nicht aus den Händen gelegt hatte, in den Anschlag. Aus der Hüfte gab er zwei Schüsse ab - allerdings ohne Erfolg. Denn weder war der feindliche Bogenschütze zu sehen noch festzustellen, aus welcher Richtung der Pfeil gekommen war. Ein zweites Geschoss zuckte heran und verfehlte Friedrich Hingis nur um Haaresbreite.
    »Geht in Deckung!«, wies Sarah ihre Gefährten an, die sich daraufhin zu beiden Seiten des Pfades hinter die Felsen duckten. Nach vorn boten diese ausreichend Schutz, im Rücken waren die Wanderer jedoch verwundbar und mussten einander gegenseitig Feuerschutz geben.
    Da der Abt und seine Mönche allesamt unbewaffnet waren, ließ Sarah Abramowitsch und Hingis auf der einen Seite Stellung beziehen, während Hieronymos und sie die andere Flanke zu decken versuchten, was gegen einen Feind, der sich noch immer nicht sehen ließ, aber mit tödlicher Präzision zuschlug, alles andere als einfach war.
    Schon hagelten weitere

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