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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Abteilung antiker Historiker und Geographen. Dort deckten sie sich mit den Werken von Herodot, Strabon, Diodor, Megasthenes, Plinius und noch einigen anderen Autoren ein, die sich der Beschreibung der damals bekannten Welt und ihrer Völker gewidmet hatten. Zu Sarahs und Hingis' Überraschung lagen die meisten Werke nicht nur im griechischen oder lateinischen Original vor, sondern zumeist auch in deutscher Übersetzung - ein Ergebnis des regen Austauschs, der zwischen den Geistesstätten des Osmanischen und jenen des Deutschen Reichs vor sich ging und der vom britischen Empire mit einigem Argwohn beobachtet wurde.
    Während sich Sarah an die Griechen Herodot und Megasthenes hielt, die beide im Zuge ihrer Werke versucht hatten, Völker und Geographie ihrer Zeit zu beschreiben, konzentrierte sich Hingis auf Plinius den Älteren sowie auf Strabon, der in Kramers kritischer Ausgabe von 1852 vorlag. Ufuk hingegen, der zu Sarahs Verblüffung die altgriechische Sprache in Wort und Schrift beherrschte, durchforstete Diodor und die nur in Fragmenten erhaltene »Indika« des Griechen Megasthenes.
    Der Gegenstand der Suche war klar umrissen: Es galt, etwas über die sagenumwobenen arimaspoi in Erfahrung zu bringen, die in jenem geheimnisvollen Gedicht Erwähnung fanden, das die Kraft des Feuers dem Pergament entlockt hatte.
    Ein schwieriges Unterfangen ...
    Herodots Neigung, seine »Historien«, die die Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Persern im fünften vorchristlichen Jahrhundert sowie deren ausführliche Vorgeschichte zum Thema hatten, mit einer Unzahl an Anekdoten und persönlichen Deutungen zu versetzen, machte es nicht gerade einfach, wissenschaftlich verwertbares Wissen herauszufiltern. Seine Beschreibungen von fremden Völkern und deren Gebräuchen waren jedoch so detailreich, dass schon der Römer Cicero ihm den Ehrentitel eines »Vaters der Geschichtsschreibung« verliehen hatte. Sarah hoffte, dass dieser ungeheure Fundus antiken Wissens, das Herodot nicht nur auf ausgedehnten Reisen, sondern auch aus einer Unzahl schriftlicher und teils verloren gegangener Quellen zusammengetragen hatte, ihr auch im Hinblick auf die Arimaspen hilfreich sein würde ...
    ... und sie wurde nicht enttäuscht.
    Als sie im dritten Buch von Herodots »Historien« zum ersten Mal auf das Wort arimaspoi stieß, gab sie einen triumphierenden Laut von sich, der Hingis und Ufuk aufschrecken ließ. Zwischen Stapeln an aufgeschlagenen und übereinander getürmten Büchern warfen sie ihr erwartungsvolle Blicke zu.
    »Nun?«, fragte der Schweizer.
    »Drittes Buch, Abschnitt 116«, antwortete Sarah mit vor Aufregung bebender Stimme. »›Im Norden Europas existiert offenbar eine Menge Goldes, die größer ist als in jedem anderen Land; wie es dazu gekommen ist, vermag ich nicht zu sagen, aber es heißt, es wäre den Greifen gestohlen worden von den Arimaspen, einer Rasse einäugiger Menschen ... ‹«
    Ihre Stimme verklang, und völlige Stille kehrte in dem kleinen Lesesaal ein, der ansonsten menschenleer war. Da Freitag war, hielten sich die meisten der in der Bibliothek beschäftigten Osmanen in der Moschee auf, um am Mittagsgebet teilzunehmen. Die Wände des Saales waren mit Teakholz getäfelt, der Geruch von Firnis und altem Leder tränkte die Luft.
    »Wie es aussieht«, meinte Hingis, der als Erster die Sprache wiederfand, »befinden wir uns auf der richtigen Spur.«
    Sarah hatte Mühe, ihre Aufregung zu verbergen. »Wenn Herodot die Arimaspen erwähnt, ist es gut möglich, dass wir noch mehr Hinweise auf sie finden.«
    »Und dann, Lady Kincaid?«, erkundigte sich Ufuk in seiner offenen Art. »Bitte verzeihen Sie meine Neugier, aber ich sehe nicht, wie Worte, die vor so langer Zeit niedergeschrieben wurden, uns auf die Spur eines verschollenen Volkes führen sollen.«
    Sarah rang sich ein Lächeln ab. Der alte Ammon hatte bei der Auswahl seiner Diener von jeher große Menschenkenntnis bewiesen. Kesh, Ufuks Vorgänger, war in mancher Hinsicht anders gewesen, von kräftigerem Körperbau und längst nicht so wachem Geist; beiden gemeinsam war jedoch die Loyalität, mit der sie ihrem Meister dienten, das »aufrechte Herz«, wie Ammon es wohl genannt hätte. Ufuk allerdings war noch mehr als das; el-Hakim hatte ihn auch zu seinem Schüler gemacht und damit begonnen, ihn in den alten Geheimnissen zu unterweisen - wohl weil auch der Weise von Mokattam wusste, dass seine Tage auf Erden nicht ewig währten ...
    »Diese Bücher, Ufuk«,

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