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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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mein Kind«, verbesserte der Alte, »nach dem Berg Meru. Die Arimaspen dienten auch ihm nur als Wegweiser dorthin.«
    »Aber wie kommt Ihr darauf?«, fragte Sarah verwirrt. »Wisst Ihr etwas, das ich noch nicht weiß?«
    »Möglicherweise.« El-Hakim nickte, dann deutete er auf die Kissen, die vor ihm auf dem Boden lagen. »Bitte, setz dich zu mir. Ich möchte dir eine Geschichte erzählen.«
    »Jetzt?«, fragte Sarah mit unbestimmtem Blick in Richtung der Bücher, die sie noch durchzusehen hatte.
    »Jetzt«, echote der Weise bestimmt, und Sarah ahnte, dass es - anders als in ihrer Kindheit - kein Märchen aus Tausendundeiner Nacht war, das er ihr vortragen wollte. »Willst du dir die Zeit dafür nehmen?«
    »Natürlich«, versicherte sie und erhob sich, um sich zu ihm zu setzen. Die Vergangenheit hatte sie gelehrt, dass es sich stets lohnte, dem Weisen zuzuhören, ganz gleich, was er zu sagen hatte.
    »Dann hör mir gut zu«, begann Ammon schließlich. »Vor vielen Jahren, noch lange vor deiner Geburt, brach unter den Mächten dieser Welt ein blutiger Konflikt aus. Beide Seiten riefen ihre jungen Männer zu den Waffen und schickten sie an einen fernen Ort, damit sie dort kämpften und starben. Der Krieg dauerte lange - länger, als die Generäle vermutet hatten, und je mehr er sich in die Länge zog, desto erbitterter wurde er auf beiden Seiten geführt. Neuartige Waffen wurden zum Einsatz gebracht, zerstörerische Kräfte entfesselt, die das Land, um das es ging, in einen Acker des Todes verwandelten. Die Leidtragenden waren die Soldaten beider Seiten, die das erdulden mussten, was die Führer ihrer Länder beschlossen hatten.«
    »Wie in jedem Krieg«, sagte Sarah leise.
    »Unter ihnen«, fuhr el-Hakim nickend fort, »war auch ein Mann, der sich nur aus einem einzigen Grund der Armee angeschlossen hatte - weil er die Welt hatte kennen lernen wollen. Abenteuerlust hatte ihn in die Welt hinausgetrieben, doch als er das Sterben ringsum sah, da wünschte er sich wieder zurück. Seine Vorgesetzten wussten das, deshalb schikanierten sie ihn, wo sie nur konnten, und teilten ihn öfter als jeden anderen dazu ein, den Feind auszuspähen. Auf einer dieser Patrouillen jedoch geriet er in einen Hinterhalt.«
    »Wer war dieser Soldat?«, wollte Sarah unvermittelt wissen.
    »Still«, ermahnte der alte Ammon sie. »Hör einfach zu, mein Kind ...«
     
    M OUNT I NKERMAN , K RIM
    N ACHT ZUM 5. N OVEMBER 1854
     
    Der Donner der Granaten, mit denen die Türken die Festung Sewastopol bombardierten, war in der Ferne zu hören, dumpf und grollend, immer wieder, während der grelle Schein der Explosionen über den Hügeln irrlichterte.
    Der Sergeant stieß eine Verwünschung aus. Mit dem Mond am wolkenlosen Himmel war die Nacht ohnehin schon nicht so finster, wie er es sich gewünscht hätte. Das Geschützfeuer jedoch ließ sie immer wieder zum Tag werden, was die Gefahr der Entdeckung sprunghaft erhöhte. Einzig der Nebel, der sich in den feuchten Senken gebildet hatte und langsam an den schroffen Hängen emporkroch, gewährte ein wenig Schutz.
    Der Sergeant spuckte verächtlich aus. Wäre der Mut von Casaubon Shaw, dem Kompanieführer, auch nur halb so groß gewesen wie sein Maul, hätte er seinen eigenen Hintern aus dem Zelt bewegt, um selbst auf vorgeschobenen Posten zu gehen und sich ein Bild von der Lage zu machen. So jedoch begnügte er sich damit, sich bei Brigadier General Pennefather Liebkind zu machen, dessen mit üppigen materiellen Reizen ausgestattete Tochter er zu ehelichen gedachte. Wenn dafür Opfer nötig waren, so würde Shaw sie ohne Zögern bringen - es war ja nicht seine Haut, die er Nacht für Nacht im Niemandsland zwischen den feindlichen Linien zu Markte trug.
    Der Sergeant lachte freudlos in sich hinein. Früher war er ein lebensfroher, der Welt und ihren Abenteuern gegenüber aufgeschlossener Mensch gewesen. Die letzten Monate jedoch hatten ihn zum Zyniker werden lassen. Nie zuvor hatte er mehr Feigheit, Geltungssucht und Scheinheiligkeit versammelt gefunden als an diesem Ort. Natürlich gab es auch Tapferkeit und Mut, jene Tugenden, die man mit dem Krieg so gerne in Verbindung brachte. Aber man fand sie meist dort, wo man es nicht unbedingt vermutet hätte ...
    »Sergeant!«
    Milton Pitt, ein blutjunger Schütze von vielleicht siebzehn Jahren, kam bäuchlings durch den Morast gekrochen. Zwei weitere Gestalten folgten ihm, Falsworth und Webber, die ebenfalls zu seinem Trupp gehörten. Die roten Röcke ihrer

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