Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
sich halb auf. Schwärze umgab ihn, die tiefer und dunkler war als jede Nacht. Nur ein ferner, dumpfer Donner erinnerte ihn daran, wo er war und was geschehen war.
    Stöhnend raffte er sich auf die Beine, überrascht darüber, dass er bis auf ein paar Blessuren unverletzt zu sein schien. In einer seiner Taschen fand er Schwefelhölzer. Vorausgesetzt, sie waren bei der Kriecherei durch den Morast nicht vollständig durchnässt worden ...
    Er hatte Glück.
    Schon das dritte Holz, das er anzustreichen versuchte, flammte auf und vertrieb die Dunkelheit.
    Soweit er es im spärlichen Licht der Flamme feststellen konnte, befand er sich in einer Art Stollen. Die Wände bestanden aus Fels, die Decke schien eingebrochen und verschüttet zu sein. Natürlich, sagte er sich, der Granateneinschlag!
    Offenbar hatte die Detonation dafür gesorgt, dass sich der Boden geöffnet und ihn verschlungen hatte. Welcher seltsamen Laune des Schicksals er dies zu verdanken haben mochte, darüber dachte der Sergeant in diesem Augenblick nicht nach, er war nur froh, der tödlichen Gefahr fürs Erste entronnen zu sein.
    Aber wo war er?
    Er benutzte das Streichholz, um ein weiteres anzuzünden. Dann kramte er so lange in seinem Knappsack, bis er den Talgkerzenstummel fand. Kurzerhand steckte er ihn an und hatte nun eine, wenn auch spärliche, Lichtquelle. Rasch griff er nach seiner Uhr, nur um festzustellen, dass sie den Sturz in die Tiefe nicht überstanden hatte. Das Glas war geborsten, die Mechanik zerstört. Mit einer Verwünschung auf den Lippen steckte er die Überreste des Chronometers wieder ein und nahm stattdessen seine Umgebung in Augenschein.
    Der Stollen war hoch genug, dass er aufrecht darin stehen konnte, und es schien auch genug Luft zum Atmen zu geben. Sich einen Weg zurück zur Oberfläche zu graben war unmöglich - sobald er seine Hand daran legte, rutschte noch mehr Erdreich von oben nach, und er riskierte nur, dass die Decke vollends einstürzte. Wenn er einen Ausgang finden wollte, musste er sein Glück in der anderen Richtung versuchen.
    Vorsichtig schlich er den Gang hinab, die Kerze in der einen, das Minie-Gewehr in der anderen Hand, als müsste er noch immer fürchten, russischen Scharfschützen in die Arme zu laufen.
    Doch hier unten war niemand.
    Niemand außer ihm ...
    Er erreichte das Ende des Stollens und gelangte in eine Kammer, deren glatt behauene Wände ganz offenbar nicht natürlichen Ursprungs waren. Mehr noch, auf der der Stollenmündung gegenüberliegenden Wand entdeckte er Darstellungen, die in den Fels gemeißelt waren, Bilder aus einer längst vergangenen Zeit.
    Der Sergeant hatte genug über die Geschichte dieser Halbinsel erfahren, um die das zaristische Russland und die Alliierten so erbittert stritten, um zu wissen, dass sie einst von Skythen bevölkert worden war. Möglicherweise war dies einst einer ihrer Tempel gewesen.
    Der Sergeant hatte keine Ahnung, welche Götter die Skythen verehrt oder woran sie sonst geglaubt hatten, aber den Bildern war zu entnehmen, dass auch zu ihrer Zeit schon erbitterte Kämpfe um diesen kargen Flecken Erde geführt worden waren. Die hässliche Frage, warum die Menschheit in all den Jahrtausenden nichts dazugelernt hatte, drängte sich auf.
    Nur mit Mühe konnte sich der Sergeant von den Wandbildern losreißen, die eine eigenartige Faszination auf ihn ausübten. Während an der Oberfläche gekämpft wurde und ohne Frage eine blutige Schlacht vor sich ging, deren Ausgang mehr als ungewiss war, war er hier unten sowohl der Zeit als auch seiner Welt entrückt und fühlte einen inneren Frieden, wie er ihn lange nicht mehr empfunden hatte.
    Im flackernden Schein der Kerze schritt er die Wandbilder ab, die zum einen Szenen aus dem Leben jener längst versunkenen Zivilisation zeigten, zum anderen aber auch kunstvolle geometrische Symbole, die er nicht zu deuten wusste. Schließlich gelangte er zur Mündung eines weiteren Stollens, der in die nächste Kammer des Tempels zu führen schien. Er wollte ihr folgen und bückte sich, um den niederen Türsturz zu passieren - als er plötzlich innehielt.
    Denn in den Stein waren Zeichen gemeißelt, die er lesen konnte - ganz einfach deshalb, weil sie in griechischer Sprache gehalten waren und das Studium des Graecum etwas gewesen war, das seinem alten Lehrer zu Hause in Schottland sehr am Herzen gelegen hatte.
    Es waren nur fünf Buchstaben, die ersten des griechischen Alphabets, aber der Sergeant ahnte in diesem Augenblick, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher