Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
worden, und sie hatte sich darangemacht, die Lebensmittelvorräte aufzufüllen, Brot und einen Rosinenkuchen gebacken und einen Sack Pflaumen in Marmelade verwandelt, die den Rest des Jahres reichen würde. Sie hatte kaum eine Minute Zeit gehabt, die Küche zu verlassen – und ausgerechnet in dieser Minute hatte Lucy beschlossen, näher an den Herd heranzugehen, um an der köstlichen Mischung zu schnuppern, und sich prompt die Hand am Marmeladentopf verbrannt. Die Verletzung war zwar nicht schwer, reichte aber, um einem Kind den Schlaf zu rauben. Tom hatte die Verbrennung verbunden und Lucy Aspirin verabreicht, doch sie war abends noch immer unruhig.
»Ich nehme sie mit in den Leuchtturm. Da kann ich sie im Auge behalten. Ich muss sowieso noch die Inventurformulare ausfüllen. Du siehst völlig erledigt aus.«
In ihrer Erschöpfung stimmte Isabel zu.
Das Kind auf einem Arm, Kissen und Decke im anderen, trug Tom Lucy die Treppe hinauf in den Wachraum und legte sie auf den Kartentisch. »So, da wären wir, Kleines«, sagte er, aber sie nickte bereits ein.
Tom fing an, Zahlenreihen zu addieren und die verbrauchten Liter Öl und Kartons mit Glühstrümpfen aufzulisten. Über ihm im Laternenraum drehte sich die Leuchte, stetig und begleitet von einem dunklen, leisen Summen. Weit unter sich konnte er im Haus eine Öllampe brennen sehen.
Er saß seit einer Stunde an der Arbeit, als er unwillkürlich aufblickte und feststellte, dass Lucy ihn beobachtete. Ihre Augen funkelten im Dämmerlicht. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte sie, und wieder einmal wurde Tom davon überwältigt, was für ein Wunderwerk sie war – so schön und so arglos. Sie hob ihre verbundene Hand und betrachtete sie. »Ich habe mir wehgetan, Dadda«, meinte sie, und ihre Miene verfinsterte sich. Dann streckte sie die Arme aus.
»Leg dich wieder schlafen, Kleines«, sagte Tom und wollte sich seiner Arbeit zuwenden.
Doch das Kind erwiderte: »Schlaflied, Dadda.« Und die Arme blieben ausgestreckt.
Tom nahm sie auf den Schoß und wiegte sie sanft. »Wenn ich dir etwas vorsingen würde, würdest du Albträume kriegen, Lulu. Mama ist bei uns die Sängerin, nicht ich.«
»Ich habe mir an der Hand wehgetan, Dadda«, wiederholte sie und hielt zum Beweis ihre Verletzung hoch.
»Ich weiß, Häschen.« Vorsichtig küsste er den Verband. »Bald ist es wieder gut. Du wirst schon sehen.« Er küsste sie auf die Stirn und streichelte ihr feines blondes Haar. »Ach, Lulu, Lulu. Wie bist du nur hierhergekommen?« Er blickte in die pechschwarze Nacht hinaus. »Wie bist du nur in meinem Leben gelandet?«
Er spürte, wie ihre Muskeln sich entspannten, als sie langsam einnickte. Ihr Kopf schmiegte sich in seine Armbeuge, während er, so leise, dass er es selbst kaum hören konnte, die Frage stellte, die ihn ständig quälte: »Wie hast du es angestellt, dass ich mich so fühle?«
Kapitel 20
»Ich habe nicht gewusst, dass er versucht hat, Kontakt mit mir aufzunehmen.« Tom saß neben Isabel auf der Veranda und drehte den alten, zerfledderten Umschlag immer wieder in den Händen hin und her. Er war an ihn, unter der Adresse 13. Bataillon, AIF , gerichtet. Jeder verfügbare Zentimeter war mit Nachsendeadressen und Anweisungen übersät, die in einem herrischen, mit blauem Stift niedergeschriebenen Befehl endeten: » Zurück an Absender « – an Edward Sherbourne, Esquire, Toms Vater. Der Brief war vor drei Tagen in einem kleinen Paket eingetroffen, als das Junischiff die Nachricht von seinem Tod brachte.
Das förmliche Schreiben der Anwaltskanzlei Church, Hattersley & Parfitt beschränkte sich auf die Tatsachen: Kehlkopfkrebs, 18. Januar 1929. Sie hatten einige Monate gebraucht, um Tom aufzuspüren. Sein Bruder Cecil war Alleinerbe, mit Ausnahme des Medaillons seiner Mutter, beigelegt dem Brief, der Tom quer durch die Welt gefolgt war.
Nach dem Anzünden der Lampe an diesem Abend hatte er das Paket im Laternenraum geöffnet und war beim Anblick der strengen, spitz zulaufenden Handschrift anfangs wie betäubt gewesen.
»Merrivale«
Sydney,
16. Oktober 1915
Lieber Thomas,
ich schreibe Dir, weil ich weiß, dass Du Dich freiwillig gemeldet hast. Mit Worten konnte ich noch nie gut umgehen, doch da Du nun so weit weg bist und die Möglichkeit besteht, dass Du zu Schaden kommen könntest, bevor wir Gelegenheit haben, miteinander zu sprechen, scheint ein Brief der einzige Weg zu sein.
Es gibt vieles, was ich Dir nicht erklären kann, ohne den Namen
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