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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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Deiner Mutter in den Schmutz zu ziehen, und ich möchte nicht noch mehr Schaden anrichten, als bereits geschehen ist. Deshalb wird einiges ungesagt bleiben. Es gibt jedoch einen Punkt, in dem ich mir Vorwürfe machen muss, und deshalb möchte ich die Sache aus der Welt schaffen. Ich habe ein Medaillon beigelegt, das ich Dir auf Wunsch Deiner Mutter übergeben sollte, als sie ging. Es enthält ihr Porträt, weshalb ich es damals für besser hielt, Dich nicht an sie zu erinnern. Darum bin ich ihrer Bitte nicht gefolgt. Es war keine leichte Entscheidung zu beschließen, dass Dein Leben ohne ihren Einfluss eine günstigere Wendung nehmen würde.
    Da sie nun tot ist, halte ich es für richtig, ihrer Bitte, wenn auch ziemlich verspätet, nachzukommen.
    Ich habe versucht, Dich zu einem guten Christen zu erziehen, und dafür gesorgt, dass Du die bestmögliche Schulbildung erhältst. Hoffentlich habe ich Dir ein Gefühl dafür vermitteln können, was richtig und was falsch ist, denn alle weltlichen Erfolge und Freuden können den Verlust Deiner unsterblichen Seele nicht wettmachen.
    Ich bin stolz auf das Opfer, das Du durch Deinen Kriegsdienst gebracht hast. Du hast Dich zu einem verantwortungsbewussten jungen Mann entwickelt, und nach dem Krieg würde ich Dir gerne eine Position in der Firma anbieten. Cecil ist der geborene Geschäftsmann, und ich nehme an, dass er die Leitung der Fabrik übernehmen wird, wenn ich mich zur Ruhe setze. Doch ich bin sicher, dass sich für Dich ein geeigneter Wirkungskreis finden lässt.
    Es hat mich geschmerzt, durch Dritte erfahren zu müssen, dass Du Dich eingeschifft hast. Ich hätte mich über die Gelegenheit gefreut, Dich in Uniform zu sehen und mich von Dir zu verabschieden. Doch vermutlich möchtest Du nichts mehr mit mir zu tun haben, seit Du Deine Mutter aufgespürt und von ihrem Ableben gehört hast. Deshalb überlasse ich es Dir. Solltest Du Dich entscheiden, auf diesen Brief zu antworten, wäre ich sehr froh darüber. Schließlich bist Du mein Sohn, und ehe Du nicht selbst Vater bist, wirst Du nicht ganz verstehen, was diese Worte bedeuten.
    Falls Du jedoch nicht reagieren solltest, werde ich das respektieren und Dich nicht mehr behelligen. Dennoch werde ich dafür beten, dass Du die Kämpfe unbeschadet überstehst und siegreich an diese Gestade zurückkehrst.
    Dein Dich liebender Vater,
    Edward Sherbourne
    Seit Toms letztem Gespräch mit diesem Mann schien eine Lebenszeit vergangen zu sein. Wie viel Überwindung musste es ihn gekostet haben, einen solchen Brief zu schreiben! Dass sein Vater sich nach ihrem Abschied im Zorn die Mühe gemacht hatte, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, war nicht nur eine Überraschung, sondern auch ein Schock. Tom wusste nicht, was er davon halten sollte, und fragte sich inzwischen, ob sein Vater so kalt gewesen war, um eine Verletzung zu verbergen. Zum ersten Mal erhaschte er einen kurzen Blick hinter die abweisende Fassade. Für einen Moment stellte er sich vor, dass dieser streng prinzipientreue Mann von der Frau, die er liebte, unglaublich gekränkt worden, aber nicht in der Lage gewesen war, es zu zeigen.
    Tom hatte seine Mutter aus einem ganz bestimmten Grund aufgesucht. Als er mit gewienerten Schuhen und sauberen Fingernägeln vor der Tür des Gästehauses gestanden hatte, hatte er seine Ansprache noch ein letztes Mal geübt. »Es tut mir leid, dass ich dich in Schwierigkeiten gebracht habe.« Damals hatte er sich so zittrig gefühlt wie das Kind, das dreizehn Jahre lang gewartet hatte, um diese Worte auszusprechen, und schon befürchtet, sich jeden Moment übergeben zu müssen. »Ich habe nur gesagt, dass ich ein Automobil gesehen habe. Dass ein Automobil vor dem Haus gewesen ist. Ich wusste ja nicht …«
    Erst viele Jahre später hatte er wirklich verstanden, welche tragischen Folgen seine Redseligkeit gehabt hatte. Sie war zur unfähigen Mutter erklärt und aus seinem Leben verbannt worden. Allerdings war er mit seiner Pilgerfahrt und seiner Suche nach Vergebung zu spät gekommen. Nun würde er nie mehr die Stimme seiner Mutter hören, die ihn von der Schuld freisprach, sie verraten zu haben, so arglos er damals auch gewesen sein mochte. Worte hatten die Eigenschaft, auch dorthin durchzusickern, wo sie nicht hingehörten. Und so hatte er gelernt, dass es das Beste war, die Dinge für sich zu behalten.
    Er betrachtete das Porträt seiner Mutter in dem Medaillon. Vielleicht hatten seine Eltern ihn ja beide geliebt, wenn auch auf eine sehr

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