Das Liebesleben der Hyäne
er hatte gesagt: »Da bin ich überfragt.«
DeeDee hatte uns in einem Hotel am Strand ein Zimmer reservieren lassen. Es lag in der obersten Etage, hatte einen Schwarzweiß-Fernseher und ein Bad, aber keinen Kühlschrank. Also nicht ganz das Wahre. DeeDee ging nach unten in die Küche und organisierte eine Plastikwanne voll Eis für mein Bier.
Wir machten einen Spaziergang am Strand. Wie sich herausstellte, gab es hier zwei Sorten von Touristen – sehr alte und sehr junge. Die Alten liefen paarweise herum, in Sandalen und Strohhüten und Sonnenbrillen und Bermuda-Shorts und knallbunten Hemden. Sie waren fett und blaß, hatten blaue Krampfadern an den Beinen, und ihre Gesichter glitzerten weiß und teigig in der Sonne. Alles an ihnen war schlaff. Sie hatten Tränensäcke unter den Augen und Fettwülste unterm Kinn.
Die Jungen waren schlank und bewegten sich, als seien sie aus Gummi. Die Girls waren vorne und hinten flach, und die Boys hatten zarte weiche Gesichter und grinsten und erröteten und lachten. Es gab recht wenig Abwechslung, für die Alten wie für die Jungen, doch das machte ihnen offenbar nichts aus. Sie aalten sich in der Sonne und schienen wunschlos glücklich zu sein.
DeeDee machte die Läden durch. Auf Schritt und Tritt fand sie etwas, das sie in Entzücken versetzte. »Oooh, sieh doch!« Sie erstand Perlenketten, Plüsch-Hunde, Aschenbecher, Ansichtskarten, Halsbänder, Porzellanfiguren, ein Segelschiff aus Kork. Sie unterhielt sich mit den Inhabern der Geschäfte. Der Lady in einer Boutique versprach sie, daß sie ihr schreiben werde, wenn sie wieder auf dem Festland sei. Sie hatten einen gemeinsamen Bekannten – einen Schlagzeuger in einer Rock-Band.
Schließlich kaufte sie auch noch einen Käfig mit zwei Edelsittichen drin, und wir gingen zurück ins Hotel. Ich machte ein Bier auf und stellte den Fernseher an. Die Programmauswahl war sehr begrenzt.
»Komm, wir gehn nochmal raus«, sagte DeeDee. »Es ist so schön draußen.«
»Ich setz mich hier hin und ruh mich erst mal aus«, sagte ich.
»Macht es dir was aus, wenn ich allein losziehe?«
»Nein. Schon gut.«
Sie gab mir einen Kuß und ging. Ich knipste den Fernseher aus und machte das nächste Bier auf. Es gab nichts zu tun auf dieser Insel. Man konnte sich nur betrinken.
Ich ging ans Fenster und sah hinaus. Da unten am Strand saß DeeDee bei einem jungen Mann, redete munter auf ihn ein, lächelte, gestikulierte. Der junge Mann hörte ihr zu und hatte ein erfreutes Grinsen im Gesicht. Ich war froh, daß ich nicht in sie verliebt war. Und ich fand es ganz praktisch, daß ich mit der Welt nicht ein Herz und eine Seele war und in allem quer lag. Leute, die verliebt sind, werden leicht gereizt und gefährlich. Sie verlieren den Überblick. Sie verlieren ihren Sinn für Humor. Sie werden langweilig, nervös, psychotisch. Sie werden sogar zu Killern.
DeeDee blieb zwei oder drei Stunden weg. Ich ließ ein bißchen den Fernseher laufen und tippte ein paar Gedichte auf einer Reiseschreibmaschine. Liebesgedichte. Über Lydia. Ich versteckte sie in meinem Koffer. Dann saß ich wieder da und trank Bier.
Es klopfte, DeeDee kam herein und rief: »Stell dir vor, was ich alles erlebt habe! Zuerst fuhr ich auf diesem Kahn mit dem durchsichtigen Boden. Man konnte die ganzen Fische im Meer sehen, alles! Dann entdeckte ich das Boot, das die Leute raus zu ihren Schiffen bringt. Der junge Mann ließ mich stundenlang mitfahren, für einen einzigen Dollar! Er hatte Sonnenbrand auf dem Rücken, und ich hab ihm den Rücken eingerieben. Er hatte einen unheimlichen Sonnenbrand. Wir brachten die Leute raus zu ihren Schiffen. Du hättest mal sehn sollen, was sich auf diesen Schiffen alles rumtreibt! Meistens alte verknöcherte Männer mit jungen Mädchen. Die Mädchen hatten alle Stiefel an, und sie waren entweder besoffen, oder sie waren voll mit Rauschgift und hingen bloß noch rum. Manche von den alten Knackern hatten junge Boys dabei, aber die meisten hatten Mädchen, manchmal zwei oder drei oder vier auf einmal. Jedes Schiff stank nach Dope und Alkohol und Bumserei. Es war sagenhaft!«
»Das hört sich gut an«, sagte ich. »Ich wollte, ich hätte so ein Talent wie du, um interessante Leute aufzutun.«
»Du kannst ja morgen raus. Für einen Dollar kannst du den ganzen Tag rumfahren.«
»Ich verzichte.«
»Hast du heute was geschrieben?«
»Ein bißchen.«
»War es gut?«
»Das weiß ich immer erst achtzehn Tage später.«
DeeDee sah nach ihren
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