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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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nicht.«
    »Was hast du denn vor?«
    »Ich steig mit dir ins Bett.«
    »All right!«
    Ich bestand den Test. Doch hinterher dachte ich: Warum kann man diesen Test nicht auch bei einer Frau machen?
    Es war einfach nicht fair.

21
    Eine Lady namens Nicole schrieb mir einige Briefe, in denen es darum ging, daß sie ein paar von meinen Büchern gelesen hatte und davon recht angetan war. Die Adresse, die sie angab, lag ganz in der Nähe, nur ein paar Straßen weiter. Ich beantwortete einen ihrer Briefe, und sie reagierte mit einer Einladung. An einem Nachmittag setzte ich mich in den VW und fuhr da mal hin. Lydia sagte ich nichts davon.
    Die Wohnung der Dame lag über einer chemischen Reinigung am Santa Monica Boulevard. Die obere Hälfte der Haustür war verglast, und durch die Scheibe erkannte ich eine Treppe, die steil nach oben führte. Ich drückte auf die Klingel. »Ja? Wer ist da?« meldete sich eine weibliche Stimme aus dem kleinen Aluminium-Lautsprecher über der Klingel. »Ich bin’s«, sagte ich. »Chinaski.« Ein Summer ertönte, und ich drückte die Tür auf.
    Nicole stand oben auf dem Treppenabsatz und sah zu mir herunter. Sie hatte ein edles, beinahe tragisches Gesicht und trug ein langes grünes Hauskleid mit tiefem Ausschnitt. Sie schien eine gute Figur zu haben.
    »Sind Sie allein?« fragte ich.
    »Ja«, sagte sie und lächelte. »Kommen Sie doch herauf.«
    Ich stieg die Treppe hoch. Jetzt sah ich, daß sie große dunkelbraune Augen hatte, mit sehr vielen winzigen Fältchen außen herum. Vielleicht trank sie zuviel, oder sie weinte oft. Oder beides.
    Die Wohnung war geräumig, verfügte über zwei Schlafzimmer, war aber nur spärlich möbliert. Ein kleines Bücherregal enthielt ein Gestell voll Schallplatten mit klassischer Musik. Ich setzte mich auf die Couch. Nicole setzte sich neben mich.
    »Ich habe gerade ein Buch über das Leben von Picasso gelesen«, sagte sie. Auf dem Kaffeetisch lagen mehrere Ausgaben des ›New Yorker‹. »Kann ich Ihnen einen Tee machen?«
    »Ich geh lieber und hol uns was Richtiges zu trinken«, sagte ich.
    »Nicht nötig. Ich habe etwas da.«
    »Was?«
    »Darf’s ein guter Rotwein sein?«
    »Mhm, sehr gern.«
    Sie stand auf und ging in die Küche. Ich sah ihr nach. Frauen in langen Kleidern hatten es mir schon immer angetan. Sie hatte eine elegante Art, sich zu bewegen. Sah nach großer Klasse aus.
    Nicole kam mit der Weinflasche und zwei Gläsern zurück und goß jedem von uns etwas ein. Sie hielt mir eine Packung Benson & Hedges hin. Ich nahm mir eine heraus und zündete sie an.
    »Lesen Sie auch den ›New Yorker‹?« fragte sie. »Die Stories, die sie veröffentlichen, sind ziemlich gut.«
    »Finde ich nicht.«
    »Warum? Was stört Sie daran?«
    »Sie sind zu hochgestochen.«
    »Mir gefallen sie.«
    »Naja, Scheiße«, sagte ich.
    Wir saßen da. Tranken. Rauchten.
    »Gefällt Ihnen meine Wohnung?«
    »Ja. Sehr hübsch.«
    »Ich habe sie genommen, weil sie mich an Europa erinnert. Dort habe ich oft so gewohnt. Soviel Platz. Soviel Licht. Ich mag das.«
    »Europa, hm?«
    »Ja. Griechenland, Italien. Hauptsächlich Griechenland.«
    »Paris?«
    »Oh ja. Paris hat mir sehr gefallen. London gar nicht.«
    Dann erzählte sie mir einiges von sich. Ihre Familie hatte in New York gelebt. Der Vater war Kommunist gewesen, und die Mutter hatte als Näherin in einem größeren Betrieb gearbeitet – an der ersten Maschine. Nummer 1. Eine strenge Frau, aber liebenswert. Nicole war in New York aufgewachsen, hatte keine besondere Schulbildung genossen und irgendwie einen berühmten Arzt kennengelernt, geheiratet, zehn Jahre mit ihm zusammengelebt und sich dann scheiden lassen. Die Unterhaltszahlungen, angeblich nur 400 Dollar im Monat, reichten hinten und vorne nicht. Sie konnte sich die Wohnung eigentlich gar nicht leisten, aber sie wollte sie nicht aufgeben, weil sie so sehr daran hing.
    »Was Sie schreiben«, sagte sie jetzt, »ist so roh und direkt. Wie ein Schlag mit dem Hammer. Und doch steckt soviel Humor und Zärtlichkeit dahinter …«
    »Yeah«, sagte ich.
    Ich stellte mein Glas weg und sah sie an. Ich faßte sie unters Kinn, zog sie zu mir her und gab ihr einen leichten Kuß.
    Nicole redete weiter. Sie erzählte interessante Geschichten, und ich merkte mir einiges davon, um es für Gedichte oder Stories zu verwenden. Ich sah ihr in den Ausschnitt, wenn sie sich nach vorn beugte und Wein nachschenkte. Ich kam mir vor wie in einem Film. Es war so ein unwirkliches Gefühl, als

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