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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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dir’s nicht krumm. Ich find dein Zeug trotzdem gut. Vielleicht werd ich nie berühmt, aber ich glaub dran, daß ich’s schaffe, und dann wirst du froh sein, daß du mich mal getroffen hast. Komm, Sadie, wir gehn jetzt …«
    Ich brachte die beiden an die Tür. Morse packte meine Hand. Er pumpte sie nicht auf und ab, und wir sahen einander auch nicht richtig an.
    »Du bist schon in Ordnung, Alter«, sagte er.
    »Danke, Morse.«
    Und dann waren die beiden weg.

64
    Am nächsten Morgen fand Tammie ein Rezept in ihrer Handtasche. »Sieh dir das mal an«, sagte sie. »Meinst du, damit kriege ich noch was?«
    Es war zerknittert, und die Tinte war verlaufen.
    »Was ist denn damit passiert?« fragte ich.
    »Naja, du kennst doch meinen Bruder. Er ist tablettensüchtig.«
    »Ich kenn deinen Bruder. Er schuldet mir noch zwanzig Dollar.«
    »Jedenfalls, er wollte mir dieses Rezept da wegnehmen. Er hat mich gewürgt. Da hab ich’s in den Mund gesteckt und so getan, als würde ich’s runterschlucken. Das war an dem Abend, als ich dich angerufen und dir gesagt hab, du sollst rüberkommen und ihn in den Arsch treten. Schließlich ist er dann abgehauen. Aber ich hatte dieses Rezept eine ganze Weile im Mund. Hab dann nichts damit gemacht, aber hier könnte ich’s jetzt einlösen. Einen Versuch ist es wert.«
    »Na schön.«
    Wir nahmen den Fahrstuhl nach unten und gingen raus auf die Straße. Es waren immer noch an die 40 Grad. Ich konnte kaum gehen. Tammie zog los, in Schlangenlinien … sie brauchte den ganzen Bürgersteig.
    »Komm schon!« rief sie zu mir nach hinten. »Beweg dich!«
    Sie schien mal wieder im Tran zu sein. Wahrscheinlich hatte sie Beruhigungsmittel geschluckt. Vor einem Zeitungsstand blieb sie stehen und starrte eine Illustrierte an. Ich glaube, es war ›Variety‹. Sie stand da und stand da. Ich blieb hinter ihr stehen und wartete. Es war öde und sinnlos. Sie starrte nur dieses Titelblatt von ›Variety‹ an.
    »Hören Sie, Schwester, entweder Sie kaufen das verdammte Ding oder Sie gehn weiter!« sagte der Mann vom Zeitungsstand.
    Tammie ging weiter. »Mein Gott, dieses New York ist wirklich eine schauderhafte Stadt!« sagte sie. »Ich wollte doch bloß sehn, ob da was von der Lesung drinsteht.«
    Tammie ging vor mir her und schlingerte wieder über die ganze Breite des Bürgersteigs. In Hollywood wären Autofahrer rechts rangefahren und hätten ihr den Schlag aufgehalten, Schwarze hätten sie angemacht, man hätte ihr nachgepfiffen oder wenigstens vor ihr ausgespuckt – irgendwas. New York war anders. Es war abgestumpft und gleichgültig und hatte keinen Sinn für Fleisch.
    Wir kamen in ein schwarzes Viertel. Sie saßen vor ihren Hauseingängen auf den Stufen und sahen uns an – die benebelte Rothaarige und den alten Kerl mit dem graumelierten Bart, der ihr mit müden Schritten folgte. Ich warf ihnen im Vorübergehen einen Blick zu. Sie hatten gute Gesichter. Ich mochte sie. Sie gefielen mir besser als meine weggetretene Begleiterin.
    Weiter ging es die Straße entlang, und dann gab es da einen Laden, der gebrauchte Möbel verkaufte. Neben dem Eingang stand ein kaputter Bürostuhl. Tammie ging hin, blieb stehen, starrte ihn an. Sie starrte ihn an wie hypnotisiert. Sie strich mit dem Finger über die Lehne. Minuten vergingen. Dann setzte sie sich auf den Stuhl.
    »Schau her«, sagte ich, »du kannst meinetwegen machen, was du willst, aber ich geh zurück ins Hotel.«
    Sie sah nicht einmal hoch. Sie saß da und strich mit den Händen über die Armstützen. Ich drehte mich um und machte mich auf den Rückweg zum Chelsea.
    Ich besorgte mir einige Dosen Bier und fuhr mit dem Aufzug nach oben. Ich duschte, und dann setzte ich mich aufs Bett, stopfte mir Kissen in den Rücken und nuckelte an einem Bier. Lesungen gingen mir immer an die Substanz. Sie saugten einem die Seele aus dem Leib. Ich trank das Bier aus und griff zum nächsten. Gut, Lesungen verschafften einem gelegentlich einen Fick. Aber Rock-Stars hatten es da besser. Oder Boxer, die auf dem Weg nach oben waren. Große Stierkämpfer bekamen sogar etwas zum Entjungfern. Irgendwie waren sie auch die einzigen, die es verdienten.
    Es klopfte an die Tür. Ich stand auf, ging hin, schloß auf. Tammie drückte die Tür auf und kam herein.
    »Ich bin an so einen schmierigen Drecksack von Yid geraten. Der wollte doch tatsächlich zwölf Dollar, damit er mir das Rezept einlöst. An der Westküste verlangen sie nur sechs. Ich hab ihm gesagt, ich hätte nur

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