Das Liebesleben der Hyäne
gerade auf Peter Stuyvesant gekotzt«, sagte Marshall.
Ich ging wieder rein. Tammie stand immer noch vor dem Spiegel und prüfte ihr Aussehen. Am meisten machte ihr die Frisur zu schaffen. Sie türmte sich das Haar nach oben, sah sich das Ergebnis an und ließ die Haare wieder auf die Schultern fallen.
Marshall steckte den Kopf zur Tür herein. »Kommen Sie, alles wartet schon!«
»Tammie ist noch nicht soweit«, sagte ich.
Sie türmte sich das Haar wieder nach oben, sah in den Spiegel, ließ es wieder fallen. Dann stellte sie sich ganz dicht vor den Spiegel und betrachtete ihre Augen.
Marshall klopfte und kam herein. »Kommen Sie, Chinaski!«
»Tammie, komm, wir müssen raus.«
»Is gut.«
Ich ging mit Tammie raus. Sie begannen zu klatschen. Der alte Chinaski-Bullshit wirkte immer noch. Tammie setzte sich unten irgendwo ins Publikum, und ich begann zu lesen. Ich hatte reichlich Bier in einem Eimer voll Eis. Ich hatte alte Gedichte und neue Gedichte. Es konnte nichts schiefgehen. Ich würde die Gemeinde bei der Stange halten.
63
Dann waren wir wieder im Zimmer 1010. Ich hatte mein Honorar in der Tasche. Unten am Empfang hatte ich Bescheid gesagt, daß wir nicht gestört werden wollten. Wir saßen da und tranken. Ich hatte fünf oder sechs Gedichte gelesen, die von Tammie handelten.
»Die wußten alle, daß ich gemeint war«, sagte sie. »An manchen Stellen hab ich gekichert. Es war mir peinlich.«
Und ob sie gewußt hatten, daß sie gemeint war. Sie glitzerte vor Sex.
Es klopfte an die Tür. Zwei Leute hatten sich unten durchgemogelt, ein Dichter und seine Freundin. Der Dichter hieß Morse Jenkins und war aus Vermont. Die Freundin stellte sich als Sadie Everet vor.
Morse hatte vier Flaschen Bier dabei, trug Sandalen und alte ausgefranste Jeans; türkisblaue Armreifen; eine Kette um den Hals; Bart, lange Haare; orangefarbene Windjakke. Er redete und redete und lief dabei im Zimmer auf und ab.
Mit Schreibern ist das so eine Sache. Wenn einer hohe Auflagen erzielt, kommt er sich großartig vor. Wenn einer mittelprächtige Auflagen erzielt, kommt er sich großartig vor. Wenn einer sehr geringe Auflagen erzielt, kommt er sich großartig vor. Und wenn einer keinen Verleger findet und auch nicht das Geld hat, um das Ding selbst zu drucken, kommt er sich erst recht großartig vor.
Die traurige Wahrheit ist, daß man nach Größe lange suchen kann. Es gibt sie fast nirgends. Sie ist kaum zu sehen. Nur auf eins kann man sich verlassen: Der mieseste Schreiber hat unweigerlich das größte Selbstvertrauen und die geringsten Zweifel an seinen Fähigkeiten.
Jedenfalls, Schriftstellern mußte man aus dem Weg gehen, und das versuchte ich auch, aber es war beinahe unmöglich. Sie hofften immer auf so etwas wie Verbrüderung, auf ein Gefühl von Gemeinsamkeit. Mit Schreiben hatte das alles nichts zu tun. Es half einem kein bißchen, wenn man an der Schreibmaschine saß.
»Ich war Sparringspartner von Cassius Clay, bevor er Moslem wurde und sich Ali nannte«, sagte Morse. Er führte seine Beinarbeit vor und boxte in die Luft. »Er war ziemlich gut, aber ich hab ihn ganz schön zum Schwitzen gebracht.«
Er tänzelte durchs Zimmer und zeigte weiteres Schattenboxen. »Sieh dir meine Beine an!« sagte er. »Ich hab erstklassige Beine!«
»Hank hat bessere Beine als du«, sagte Tammie.
Da ich schon immer eine Schwäche für Beine hatte, nickte ich dazu.
Morse setzte sich. »Sie arbeitet als Krankenschwester«, sagte er und deutete mit seiner Bierflasche auf Sadie. »Sie ernährt mich. Aber eines Tages komm ich groß raus! Die werden alle noch von mir hören!«
Morse würde bei seinen Lesungen nie ein Mikrofon brauchen.
Er sah mich an. »Chinaski, du bist einer von den zwei oder drei besten Dichtern, die wir heute haben. Du bist voll drauf. Du schreibst eine starke Zeile. Aber ich bin auch im Kommen! Paß auf, ich les dir mal meinen Kram vor. Sadie, gib mir meine Gedichte.«
»Nein«, sagte ich, »laß gut sein. Ich will sie nicht hören.«
»Wieso nicht, Mann! Wieso nicht?«
»Für heute hab ich genug von Gedichten, Morse. Ich will bloß noch abschalten und nicht mehr dran denken müssen.«
»Na schön, wie du willst. Sag mal, du antwortest nie auf meine Briefe …«
»Ich bin kein Snob, Morse, aber ich kriege 75 Briefe im Monat. Wenn ich die beantworten wollte, käm ich zu nichts anderem.«
»Den Weibern schreibst du bestimmt! Da mach ich jede Wette!«
»Kommt darauf an …«
»Schon gut, Mann. Ich nehm
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