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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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wegschicken, dabei sind es noch dreißig Minuten bis zur Lesung.«
    »Ich will die Ansage für Chinaski machen«, sagte Tammie.
    Marty sah mich an. »Ist dir das recht?«
    »Okay.«
    Sie hatten einen Jungen draußen auf der Bühne. Dinky Summers. Er sang etwas zur Gitarre, und das Publikum machte ihn fertig. Dinky hatte vor acht Jahren eine Goldene Schallplatte gehabt. Seither nichts mehr.
    Marty hängte sich ans Haustelefon. »Sag mal, ist der Kerl wirklich so schlecht, wie er sich anhört?«
    »Er ist schauerlich«, kam eine weibliche Stimme aus dem Telefonhörer.
    Marty legte auf.
    »Wir wollen Chinaski!« brüllten sie draußen.
    »Is ja gut«, hörte man Dinky sagen. »Chinaski ist gleich an der Reihe. Jetzt laßt mich erst mal mein Ding hier machen.«
    Er sang wieder etwas. Sie waren alle betrunken. Sie buhten und zischten. Dinky sang weiter. Er brachte seinen Set zu Ende und ging von der Bühne. Man konnte nie wissen. An manchen Tagen war es besser, man blieb im Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
    Dinky kam zu uns herein. Rot-weiß-blaue Tennisschuhe, weißes T-Shirt, Kordhose, brauner Filzhut. Der Hut saß auf einer Masse von blonden Locken. Auf dem T-Shirt stand »Gott ist die Liebe«.
    Dinky sah uns an. »War ich wirklich so schlecht?« wollte er wissen. »War ich wirklich so schlecht?«
    Keiner sagte etwas.
    Er wandte sich an mich. »Hank, war ich so schlecht?«
    »Die Leute sind besoffen. Für die ist Karneval.«
    »Nein, sag schon: war ich schlecht oder nicht?«
    »Trink mal was.«
    »Ich muß meine Freundin suchen«, sagte er. »Sie ist allein da draußen.«
    »Marty«, sagte ich, »bringen wir’s hinter uns.«
    »Schön«, sagte Marty. »Dann mal los.«
    »Ich sag ihn an«, sagte Tammie.
    Ich ging mit ihr hinaus. Als wir uns zur Bühne durchdrängten, wurden sie auf uns aufmerksam und fingen an zu schreien. Es hagelte Kraftausdrücke. Flaschen kippten um und rollten von den Tischen. Weiter hinten brach eine Schlägerei aus. Die Boys vom Postamt hätten mir so etwas nie geglaubt.
    Tammie ging ans Mikrofon. »Ladies and Gentlemen«, sagte sie, »Henry Chinaski ist heute abend leider verhindert …«
    Das Geschrei brach schlagartig ab.
    Dann schwang sie den rechten Arm in meine Richtung und rief: »Ladies and Gentlemen – HANK CHINASKI!«
    Ich ging auf die Bühne. Sie johlten. Dabei hatte ich noch gar nichts gesagt. Ich nahm das Mikrofon in die Hand.
    »Hallo. Ich bin Henry Chinaski …«
    Die Bude wackelte. Ich brauchte anscheinend nichts weiter zu tun. Die machten alles von allein. Aber man mußte sich vorsehen. Betrunken, wie sie waren – sie würden jeden falschen Zungenschlag merken, jede falsche Geste. Man durfte ein Publikum nie unterschätzen. Sie hatten Eintritt bezahlt, sie hatten für ihre Getränke bezahlt. Dafür wollten sie etwas geboten kriegen. Und wenn man es ihnen nicht gab, scheuchten sie einen ins Meer.
    Ein Kühlschrank stand auf der Bühne. Ich machte ihn auf. Es waren gut vierzig Flaschen Bier drin. Ich nahm mir eine Flasche heraus, schraubte den Verschluß ab und trank einen kräftigen Schluck. Den hatte ich jetzt bitter nötig.
    »Hey, Chinaski!« brüllte einer aus der ersten Reihe. »Wir müssen für unser Bier bezahlen!« Es war ein dicker Kerl. Die Kluft, die er anhatte, erinnerte an einen Postboten.
    Ich griff mir eine Flasche, ging zu ihm hin und gab sie ihm. Dann ging ich zurück, räumte weitere Flaschen aus und verteilte sie an die Leute in der ersten Reihe.
    »Hey, und was ist mit uns?!« riefen sie weiter hinten.
    Ich ging dazu über, Flaschen nach hinten zu werfen. Die Jungs waren noch gut in Form – sie fingen sie alle auf. Dann rutschte mir eine Flasche aus der Hand und flog zur Seite. Ich hörte, wie sie zerschellte. Danach ließ ich es sein. Ich wollte mich nicht auch noch für einen Schädelbruch verantworten müssen.
    Es waren noch zwanzig Flaschen übrig.
    »So«, sagte ich. »Der Rest ist jetzt für mich!«
    »Willst du vielleicht den ganzen Abend lesen?«
    »Nee, ich will den ganzen Abend trinken.«
    Beifall. Gejohle. Rülpsen.
    »Du BLÖDES ARSCHLOCH!« röhrte einer von hinten.
    »Mach dich nicht naß, Tante Tilly«, sagte ich.
    Ich setzte mich, bog mir das Mikrofon zurecht und fing das erste Gedicht an. Es wurde still. Ich war jetzt mit dem Stier allein in der Arena. Mir wurde einigermaßen mulmig. Aber schließlich hatte ich diese Gedichte geschrieben. Also raus damit. Für den Anfang empfahl sich immer etwa Leichtes, ein Schmähgedicht. Als

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