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Das Liebesleben der Hyäne

Das Liebesleben der Hyäne

Titel: Das Liebesleben der Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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gegen den Schlitz. Schließlich gab sie auf, sah mich an und sagte:
    »Okay. Gehn wir.«
    Also die Rolltreppe rauf, mit den Kleidern und dem ganzen Kram. Wir fanden unseren Flugsteig.
    Dann saßen wir auf unseren Plätzen und schnallten uns an. »Siehst du?« sagte sie. »Ich hab dir ja gesagt, wir haben noch jede Menge Zeit.«
    Ich sah auf die Uhr. In diesem Augenblick setzte sich das Flugzeug in Bewegung …

60
    Wir waren gerade zwanzig Minuten in der Luft, da klappte Tammie ihre Handtasche auf und nahm einen Spiegel und ein Fläschchen Wimperntusche heraus. Sie sah in den Spiegel und bearbeitete ihre Wimpern mit einer kleinen Bürste. Dabei riß sie die Augen weit auf und formte ihren Mund zu einem »O«. Ich sah ihr zu und bekam einen Steifen.
    Ich bestellte zwei Drinks. Die Drinks kamen, Tammie nippte kurz an ihrem und beschäftigte sich weiter mit ihren Wimpern. Ein junger Kerl, der rechts von uns auf der anderen Seite des Mittelgangs saß, steckte seine Hand in die Hosentasche und begann an sich herumzumachen. Er sah verstohlen zu Tammie herüber, die weiter in ihren Spiegel sah, mit offenem Mund. Dieser offene Mund mit seinen vollen Lippen … wenn man ihn so ansah, konnte man sich richtig vorstellen, wie er saugte und lutschte.
    Nach einer Stunde beendete sie ihr Make-up, verstaute den Spiegel und die Utensilien in ihrer Handtasche, lehnte sich an mich und schlief ein.
    Links von mir saß eine Frau von Mitte Vierzig. Die Frau sah mich jetzt an und sagte:
    »Wie alt ist sie?«
    Plötzlich wurde mir bewußt, wie still es in diesem Düsenflugzeug war. Die Leute um uns herum schienen alle zuzuhören.
    »23«, sagte ich.
    »Sie sieht aus wie 17.«
    »Sie ist 23.«
    »Sie malt sich zwei Stunden lang das Gesicht an, und dann schläft sie ein.«
    »Es war nur eine Stunde.«
    »Fliegen Sie nach New York?«
    »Ja.«
    »Ist sie Ihre Tochter?«
    »Nein. Ich bin weder ihr Vater noch ihr Großvater, noch sonstwie mit ihr verwandt. Sie ist meine Freundin, und wir fliegen zusammen nach New York.«
    Ich sah es in ihren Augen: Zuhälter aus East Hollywood setzt 17jährige unter Drogen, verschleppt sie nach New York, vergeht sich an ihr und schickt sie anschließend auf den Strich.
    Die Dame gab ihr Verhör auf. Sie lehnte sich zurück und machte die Augen zu. Nach einer Weile sackte ihr der Kopf herunter. Es sah so aus, als würde er gleich auf meinem Schoß landen. Ich hielt Tammie im Arm und verfolgte die Abwärtsbewegung dieses Kopfes. Ich fragte mich, ob die Dame etwas dagegen hätte, wenn ich ihr einen wilden Kuß auf die Lippen drückte. Ich bekam wieder einen Steifen.
    Schließlich kam das Signal zum Anschnallen. Tammie schien sehr schlaff auf ihrem Sitz zu hängen. Das machte mir Sorgen. Ich schnallte sie an.
    »Tammie, wir sind in New York! Wir landen gleich! Tammie, wach auf!«
    Keine Reaktion.
    Hatte sie eine Überdosis geschluckt?
    Ich fühlte ihr den Puls. Sie schien keinen zu haben.
    Ich sah auf ihren enormen Busen herunter und versuchte festzustellen, ob er sich hob und senkte. Er bewegte sich nicht. Ich stand auf und suchte mir eine Stewardeß.
    »Bitte gehen Sie auf Ihren Platz, Sir. Wir landen gleich.«
    »Hören Sie, ich mache mir Sorgen wegen meiner Freundin. Sie will nicht aufwachen.«
    »Glauben Sie, daß sie tot ist?« flüsterte sie.
    »Ich weiß nicht«, flüsterte ich zurück.
    »Ist gut, Sir. Sobald wir gelandet sind, komme ich zu Ihnen nach hinten.«
    Wir gingen jetzt zum Sinkflug über. Ich begab mich auf die Toilette, machte einige Papierhandtücher naß, ging zurück auf meinen Platz und rieb Tammie damit übers Gesicht. Ihre ganze Arbeit mit diesem Make-up war nun umsonst.
    Tammie reagierte nicht.
    »Wach auf, du Nutte!«
    Ich fuhr ihr mit den nassen Papiertüchern in den Spalt zwischen ihren Brüsten. Nichts. Keine Regung. Ich gab auf.
    Ich werde ihre Leiche per Luftfracht zurück nach L. A. schicken müssen, dachte ich. Ich werde es ihrer Mutter erklären müssen. Ihre Mutter wird mich hassen.
    Wir landeten. Die Leute standen auf und drängten sich im Mittelgang. Ich blieb sitzen. Ich rüttelte Tammie an der Schulter, kniff sie in den Arm. »Wir sind in New York City, Rote. Komm schon, mach jetzt keinen Scheiß.«
    Die Stewardeß kam an. Sie faßte Tammie an der Schulter und rüttelte sie.
    »Honey, was ist denn mit Ihnen?«
    Tammie begann zu reagieren. Sie bewegte sich. Dann schlug sie die Augen auf. Ah – sie hatte eine neue Stimme gehört. Das brachte es. Auf eine alte Stimme hörte man

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