Das Liebesleben der Hyäne
einige Dosen Bier übrig. Das Bier war lauwarm, aber ich brachte es runter, und es blieb auch unten. Ich nahm gerade die zweite Dose in Angriff, als Keesing hereinkam.
»Mensch, wie machst du das bloß? Du hast eine Kondition wie ein 18jähriger.«
»Ich hab auch schlechte Morgen. Heute hab ich zufällig keinen erwischt.«
»Ich muß heute mittag eine Stunde Englisch geben. 13 Uhr. Bis dahin muß ich mich in Form bringen.«
»Schluck was zum Aufmöbeln.«
»Ich brauch was Richtiges in den Magen.«
»Iß zwei weichgekochte Eier und streu dir Chili oder Paprika drauf.«
»Soll ich dir auch zwei machen?«
»Gern, ja.«
Das Telefon klingelte. Cecelia. Bill redete eine Weile mit ihr, dann legte er auf und drehte sich zu mir um. »Wir kriegen einen Tornado. Einen der stärksten in der Geschichte dieser Gegend. Kann sein, daß er hier durchkommt.«
»Irgendwas passiert immer, wenn ich eine Lesung gebe.«
Ich stellte fest, daß es draußen dunkel wurde.
»Vielleicht fällt meine Stunde aus«, sagte Bill. »Aber man kann nie wissen. Besser, ich esse was.«
Er setzte die Eier auf.
»Du bist mir wirklich ein Rätsel«, sagte er. »Du siehst nicht mal verkatert aus.«
»Ich bin jeden Morgen verkatert, aber das ist mein Normalzustand. Ich hab mich dran gewöhnt.«
»Du schreibst immer noch ganz gutes Zeug, trotz der vielen Sauferei.«
»Reden wir nicht davon. Vielleicht liegt es daran, daß ich soviel Pussy kriege. Laß diese Eier nicht zu lange drauf.«
Ich ging auf die Toilette und setzte mich zu einem Schiß.
»Chinaski!« hörte ich ihn plötzlich schreien. Als ich wieder nach vorn kam, stand die Tür offen. Ich hörte ihn draußen auf dem Hof. Er kotzte. Nach einer Weile kam er kreidebleich herein. Der arme Kerl. Er sah wirklich elend aus.
»Nimm ein bißchen Backpulver ein«, sagte ich. »Hast du ein Valium da?«
»Nein.«
»Dann warte nach dem Backpulver zehn Minuten und trink ein warmes Bier. Gieß dir’s gleich jetzt in ein Glas, damit es dann die richtige Temperatur hat.«
»Ich hab ein Bennie.«
»Dann schluck das.«
Draußen war es inzwischen noch dunkler geworden. Fünfzehn Minuten nach dem Bennie ging Bill unter die Dusche. Als er wieder herauskam, sah er ganz passabel aus. Er aß einen Erdnußbutter-Sandwich mit Bananenscheiben. Er würde es schaffen.
»Du liebst deine Frau immer noch, wie?« fragte ich.
»Gott, ja.«
»Ich weiß, es ist kein Trost, aber versuch dir klar zu machen, daß uns allen mal sowas passiert.«
»Das hilft mir nicht.«
»Wenn eine Frau erst mal anfängt, sich von dir abzusetzen, dann kannst du es gleich vergessen. Sie lieben dich eine Weile, und dann bist du plötzlich abgemeldet. Sie können zusehen, wie du von einem Auto überfahren wirst und in der Gosse krepierst, und sie werden sogar noch auf dich spucken.«
»Cecelia ist nicht so. Sie ist schwer in Ordnung.«
»Laß uns noch was trinken«, sagte ich.
Wir saßen da und tranken Bier. Draußen wurde es jetzt finster, und ein starker Wind kam auf. Wir redeten nicht viel. Ich war froh, daß ich ihm begegnet war. Es gab sehr wenig an ihm auszusetzen. Er war müde. Vielleicht half das. Mit seinen Gedichten hatte er in den USA nie Glück gehabt. In Australien verehrten sie ihn. Vielleicht würden sie ihn auch hier eines Tages entdecken. Wer weiß. Vielleicht im Jahr 2000. Er war ein harter Brocken, bullig, untersetzt. Man sah ihm an, daß er einiges austeilen konnte. Man wußte, daß er viel mitgemacht hatte. Ich mochte ihn sehr.
Wir tranken schweigend. Dann kam noch ein Anruf von Cecelia. Der Tornado war vorbei, bzw. er hatte einen Bogen um uns gemacht. Bill würde seinen Unterricht nun doch halten müssen. Und ich mußte am Abend meine Lesung machen. Na schön. Da hatten wir ja alle etwas zu tun.
Gegen halb eins verstaute Bill seine Bücher und Notizen in einem Rucksack, schwang sich aufs Fahrrad und radelte zur Universität.
Cecelia kam irgendwann am Nachmittag von der Arbeit zurück. »Hat es Bill noch rechtzeitig geschafft?«
»Ja. Er ist mit dem Fahrrad gefahren. Er schien ganz gut in Schuß zu sein.«
»Wie gut? War er etwa auf Shit?«
»Er war okay. Er hat gegessen und alles.«
»Weißt du, Hank, ich liebe ihn immer noch. Aber ich kann’s einfach nicht mehr länger durchstehen.«
»Klar.«
»Du glaubst nicht, wieviel es ihm bedeutet, daß du hergekommen bist. Er hat mir immer deine Briefe vorgelesen.«
»Dreckiges Zeug, wie?«
»Nein, sehr lustig. Du hast uns beide zum Lachen
Weitere Kostenlose Bücher